Auch wenn wir es nicht wahr haben wollen bzw. es mehr oder weniger gelungen verdrängen: der Tod ist unsere ständiger Begleiter. Zum Glück wissen wir nicht, wann der Mann (Warum verbinden wir eigentlich das Bild des Todes immer nur mit einem Mann? Wo ist denn in diesem Falle die Gleichberechtigung und damit die Todin geblieben?) in seiner schwarzen Kutte und der Sense an unsere Tür klopft. Aber wenn unsere Freunde ihren letzten Weg antreten und wir sie das letzte Stück dabei begleiten, dann spüren wir, wie verdammt nah uns der Tod sein kann, auch wenn er seine Hand noch nicht nach uns ausstreckt.
Hören wir nun also „Song For A Friend“, das aktuelle Album des ehemaligen STILTSKIN- und GENESIS-Sängers, dann spüren wir diese Nähe in ihrer ganzen Dimension. Und wir können sie sogar genießen, weil sie nicht an unsere Tür klopft, sondern über unsere Boxen mit der größtenteils traurigen Stimme von RAY WILSON zu uns singt und spricht!
Inspiriert wurde „Song For A Friend“ durch den Tod von Wilsons Freund James Lewis, der vor ca. einem Jahr starb und RAY WILSON zu diesem akustisch-bedrückenden Album anregte, auf dem er 9 eigene Storys, die sich um Eifersucht, Verletzlichkeit, Wut, Bedauern, Enttäuschungen und natürlich die Liebe genauso wie die damit verbundenen Verletzungen drehen, vertont. Den Abschluss bildet dann die ungewöhnliche Cover-Version von PINK FLOYDs „High Hopes“, dem einzigen wirklich gelungenen Stück von ihrem Album „Division Bell“. Und die positive Botschaft dahinter ist zugleich versöhnlicher Abschluss für dieses traurige Album.
So stecken hinter der Musik auf „Song For A Friend“ am Ende auch immer die Botschaften „Carpe diem!“ und „Gib nie auf!“
Ganz der Thematik entsprechend vertont RAY WILSON größtenteils akustisch sein Songs und verpackt sie zusätzlich in ein sehr ansprechendes, von Brauntönen lebendes Digi-Book. Pure Emotionen und ein ruhiges Wohlgefühl, das, wenn man sich den Texten genauer zuwendet, oftmals in Trauer umschlägt, setzen sich dabei immer wieder frei, während Wilsons Stimme und die Aura seiner Kompositionen einen beim Hören häufig fesselt. Der Mann war nach PHIL COLLINS nicht umsonst erste Wahl bei GENESIS, auch wenn er am Ende nicht viel Glück damit hatte.
Stimmungsschwankungen allerdings gibt es auf dem Album kaum zu entdecken und es bleibt ruhig, traurig und melancholisch - allerdings ohne jemals schmalzig zu werden.
„Song For A Friend“ ist RAY WILSONs bisher ruhigstes und traurigstes Album seiner langen musikalischen Schaffensphase von GUARANTEED PURE über STILTSKIN bis GENESIS und CUT sowie natürlich seinem kompletten Soloschaffen geworden.
Eine weitere Absicht, die RAY WILSON mit der CD bzw. LP verfolgt, formuliert er selber: „Immer wenn du das Gefühl hast, aufgeben zu müssen oder den Willen verlierst, weiter zu kämpfen, soll dir das Album helfen, tief in dich zu gehen und dich für die guten Dinge im Leben zu engagieren.“
Wenn Wilsons Album auch nur bei einem Hörer dieses Ziel erreicht, dann hätte der Tod seines Freundes, dem er dieses Album widmete, irgendwie auch einen ungeahnten Sinn.
FAZIT: Von Herzen kommende und zu Herzen gehende Melancholie, ausgelöst durch den Tod eines guten Freundes. RAY WILSON ist der ideale Sänger, Texter und Komponist für Musik mit solchem Hintergrund, auch wenn sie durchgängig fließend wie ein Fluss aus Tränen klingt.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.06.2016
Lawrie MacMillan
Ray Wilson
Uwe Metzler, Ali Ferguson
Kool Lyczek
Nir Z
Marcin Kajper (Saxofon), Steve Wilson (Backing Vocals), Mario Koszel (Percussion), Peter Hoff (Percussion Loops)
Jaggy D / Soulfood
43:19
03.06.2016