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Santiano: Von Liebe, Tod und Freiheit - Live

Stil: Shanty Rock, Folk, Traditional, Hardrock, Pop, Bombast

Cover: Santiano: Von Liebe, Tod und Freiheit - Live

SANTIANO lieben die Freiheit, egal ob sie das gleich im ersten, ihr Konzert eröffnendem Titel singen oder als Redebeitrag leidenschaftlich von der Bühne zum Besten geben, um sie dann mit „Frei wie der Wind“ als Stadion-Hymne regelrecht zu zelebrieren.
Kann man sich für all die Freiheitsgedanken und -Lieder einen besseren Ort als Berlin vorstellen?
Die ehemals geteilte Stadt als Symbol für ein geteiltes, bestialisch eingemauertes Land namens DDR, umgeben von einem freien Land namens BRD. Zeiten, die längst vorbei sind, aber niemals vergessen werden sollten.
Und nun stehen sie da, die live absolut grandios rüberkommenden Shanty-Rocker, welche sogar die eigentlich unvereinbare Metal- und Schlager-Fraktion mit ihrer Musik unter eine Kapitänsmütze bringen. SANTIANO – mitten in Berlin, direkt auf der Waldbühne, und geben mit „Von Liebe, Tod und Freiheit“ vor über 20.000 Zuschauern ein schlicht perfektes (und zugleich ausverkauftes) Konzert.
Sieben Musiker, von denen fünf im Satz oder solistisch singen, einer besser als der andere und noch dazu mit PETE SAGE ein singender Geiger, der sein Instrument nicht nur beherrscht, sondern es klingen lässt, als wäre es ihm angewachsen – und jedem musikverrückten Ossi, von denen es in Berlin und bei diesem Konzert garantiert eine Unmenge gab, kommt dabei natürlich sofort ein GEORGI GOGOW von CITY in den Sinn, der das gänzlich irre Geigen-Solo auf dem besten je in der DDR entstandenen Song spielte: „Am Fenster“! Sie alle stehen jedenfalls, nachdem der Vorhang von der Bühne fiel, in einem Boot – genauer gesagt, einem Wikinger-Schiff, das die gesamte Bühne einnimmt.

Dabei stand das Berliner Konzert gar nicht unter einem so guten Stern, denn leider war Stammgitarrist ANDREAS FAHNERT wegen Gehörproblemen gerade für dieses Konzert ausgefallen, dem SANTIANO besonders wegen dem DVD-Mitschnitt so große Bedeutung beimaßen. Für ihn sprang DIRK SCHLAG ein, der an Gitarre und mit Stimme diese Herausforderung ausgezeichnet bestand.

Bei „Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren“ kommen neben dem Musik-Spektakel auch noch wild-gefährliche Feuerwerfer ins heiße, explosive Spiel – ein Spiel, in dem auch das Publikum mit souveräner Textsicherheit längst ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Und diese unverkennbar auch genießt. Nicht nur die Feuerwerfer sind Anheizer, die Musiker auf der Bühne sind es noch viel mehr – und ihre Leidenschaft lässt offensichtlich auch ihre Fans entflammen. Welche Dimensionen das annehmen kann, darf live bei „Es gibt nur Wasser“ erlebt werden, bei dem minutenlang die Fans aus 20.000 Kehlen wieder und wieder: „Es gibt nur Wasser, Wasser, Wasser überall – und wir haben nichts zu trinken!“ im tausendfachen Chor singen. Fast ein wenig unpassend wirkt dann das folgende Lied, ein plattdeutsches von Knut Kiesewetter - „Fresenhof“ ist die erste Unplugged-Nummer, die das Publikum wieder runterholt und auf die Euphorie-Bremse tritt. Also, liebe SANTIANO, was soll das? Erst heizt ihr eure Leute vor der Bühne so extrem an, dass sie allesamt im Feuer stehen und dann kippt ihr aus dem „Fresenhof“ einen fetten Eimer Wasser darüber, um sie mit „Blow Boys Blow“ wieder langsam anzufeuern. Hier haut die Musik-Choreografie nicht hin, doch mit „Whiskey In The Jar“ werden dann auch die letzten ein wenig schwach gewordenen Akkus wieder auf Hochspannung gebracht, die nach dem Fiddel-Solo von PETE SAGE in „Irish Rover“ fast explodiert. Hier hat man mitunter den Eindruck, statt SANTIANO würden die POGUES auf der Bühne stehen.

Bei der hymnischen Zugabe „Kinder des Kolumbus“ mit fetter Ohrwurm-Melodie fliegen dann überdimensionale, weiße SANTIANO Luftballons über das Publikum. Und so endet ein Konzert symbolisch, das in einer symbolischen Stadt begann – die Ballons steigen auf in den Himmel, genauso wie einen dieses Konzert anhebt und das Publikum völlig zurecht „ihre Band“ in den Himmel hebt. Ohne jeglichen Pathos kann man da nur feststellen, dass dieses Konzert – egal, was man von SANTIANO halten mag – echte Maßstäbe setzt und eine unglaublich intime Atmosphäre zwischen sieben Musikern auf der Bühne und 20.000 davor aufbaut!

Als Dankeschön gibt‘s noch ein schönes Feuerwerk und SANTIANO sagen „Ahoi!“ Und wie man es in dem zehnminutigen „Hinter den Kulissen“ sehen kann, geht ein euphorisches Publikum nach Hause. Warum das so ist, kann eindrucksvoll auf dieser DVD bestaunt werden oder aber auf der Blu-Ray. Wem die Musik reicht, der kann auch nur auf die Doppel-CD zurückgreifen und die größten Fans entscheiden sich sowieso für das Package aus Doppel-CD und DVD.

FAZIT: Auch wenn ich nicht zu den SANTIANO-Fans gehöre, bleibt von diesem Konzert nur ein begeisterter Eindruck zurück, der mir mit einem Schlag wirklich alle Vorurteile, die ich gegen die aus meiner bieherigen Sicht extrem gehypten Musiker hegte, fortblies: „Tod und Teufel können uns nichts!“, singen SANTIANO in „Bis in alle Ewigkeit“ - und nun kann ihnen selbst der Kritiker dieser Konzert-DVD genauso wenig wie Tod und Teufel!

Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.11.2016

Tracklist

  1. Lieder der Freiheit (To France)
  2. Salz auf unserer Haut
  3. Johnny Boy
  4. Frei wie der Wind
  5. Land Of Green
  6. Santiano
  7. Auf nach Californio
  8. Seine Heimat war die See
  9. Der Alte und das Meer
  10. Joho und ne Buddel voll Rum
  11. Sieben Jahre
  12. Weh mir
  13. Bis in alle Ewigkeit (Walhalla)
  14. Rungholt
  15. Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren
  16. Die letzte Fahrt
  17. Gott muss ein Seemann sein
  18. Rolling The Woodpile
  19. Seemann
  20. Ade, Ade
  21. Diggy Liggy Lo
  22. Es gibt nur Wasser
  23. Fresenhof
  24. Blow Boys Blow
  25. Whiskey In The Jar
  26. Irish Rover
  27. Kinder des Kolumbus
  28. Hoch im Norden
  29. Hinter den Kulissen der Waldbühne mit SANTIANO

Besetzung

  • Bass

    Björn Both, Hans-Timm Hinrichsen

  • Gesang

    Axel Stosberg, Björn Both, Pete Sage, Hans-Timm Hinrichsen, Dirk Schlag

  • Gitarre

    Björn Both, Hans-Timm Hinrichsen, Dirk Schlag

  • Keys

    Arne Wiegand

  • Schlagzeug

    Marco Möller, Axel Stosberg

  • Sonstiges

    Pete Sage (Geige), Arne Wiegand (Akkordeon), Björn Both (Didgeridoo)

Sonstiges

  • Label

    We Love Music/Electrola/Universal

  • Spieldauer

    137:00

  • Erscheinungsdatum

    14.10.2016

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