Wer kann eigentlich noch immer „The Dark Side Of The Moon“ hören, ohne dieses Gefühl zu haben, verarscht zu werden, weil einem gefühlt schon tausend unterschiedlich remasterte und mit Tri-Tra-Trullala-Überraschungen versehene Ausgaben die Plattenschränke und CD-Regale füllen, nur da man einmal in seinem Leben PINK FLOYD für sich entdeckte und ihnen unweigerlich verfiel?
Besondere „Schuld“ daran trug natürlich ihr wirtschaftlich erfolgreichstes, aber keinesfalls bestes, dafür aber millionenfach verkauftes Album (ca. 50 Millionen bisher) mit dem geilen Prisma auf schwarzem Grund. Einmal vor über 40 Jahren als LP veröffentlicht und uns noch heute durch clevere Vermarktungsstrategien das Geld aus der Tasche ziehend.
Ja, aber wofür lohnt es sich denn sonst zu arbeiten, wenn man sich noch nicht einmal alle (noch so überflüssigen) Ausgaben von „The Dark Side Of The Moon“ leisten könnte?
Und dann natürlich noch all die Tribute-Alben zur dunklen Mondseite!
Die muss man unbedingt auch besitzen, so platt sie auch klingen oder nur einen billigen Abklatsch bieten.
Haben! Haben! Haben!
Bezahlen! Bezahlen! Bezahlen!
Wir Hardcore-PF-Fans sind doch sowieso alle ein bisschen verrückt und zugleich eine hervorragende Käuferschicht, der man von vorne bis hinten die Hose runterziehen kann, weil wir meistens ein paar übrige Euros in den Taschen haben.
Doch manchmal fallen einem im Kaufrausch beim Suchen nach dunklen Mondseiten ein paar ganz besonders exotische, aber umso überraschendere Entdeckungen dabei in die Hände, die fast genauso lohnenswert klingen wie das Original. Zum Beispiel wären da die Interpretationen von GOV‘T MULE oder THE FLAMING LIPS zu nennen. Nun also muss in einem Atemzug zu diesen Werken unbedingt noch „The Great Jazz Gig In The Sky“ hinzugefügt werden, die erste „echte“ komplette Jazz-Vertonung von „The Dark Side Of The Moon“ durch den Vokal- und Elektronik-Akrobaten BORIS SAVOLDELLI, den Saxofonisten und ebenfalls Elektronik-Friemler RAFFAELE CASARANO und den Kontrabassisten und natürlich auch Elektronik-Tüftler MARCO BARDOSCIA. Zu guter letzt darf dann auf dem längsten, fast viertelstündigen Stück „Us And Them“ sogar der begnadete Jazz-Gitarrist DEWA BUDJANA noch mit zur Gitarre greifen!
Kann so eine ungewöhnliche Musik-Kombination wirklich gut gehen?
Und wie! Vorausgesetzt man liebt Jazz und nimmt das Original von PINK FLOYD nicht so bierernst, wie es einige Prog-Experten und aus diesem Album eine wahre Wissenschaft machende Zeitgenossen immer wieder tun.
<a href="https://www.youtube.com/watch?v=Togzo0wm60A" rel="nofollow">„The Great Jazz Gig In The Sky“</a> ist die komplette, manchmal bis zur Unkenntlichkeit Jazz-verfremdete Vertonung von „The Dark Side Of The Moon“, die in gigantischem Sound daherkommt und mit dem viertelstündigen „Us And Them“, bei dem DEWA BUDJANA göttlich seine Gitarre zwischen FRIPP und GILMOUR bearbeitet, ein Interpretation des Stücks bietet, das auf der Skala aller „Us And Them“-Coverversionen unangefochten den ersten Platz erobert.
Allerdings lassen die abgefahrenen, verrückt anmutenden Stimmen-Sample von „Speak To Me“, welche mit unglaublichen Stereo-Effekten daherkommen, genauso wie auch „The Great Gig In The Sky“, einen bereits aufhorchen und gefesselt zwischen den Boxen - aber bitte ganz genau in der Mitte von ihnen - sitzen! Kleine Klangwunder, von denen man regelrecht überrollt wird. Aber auch das immer wieder auftauchende Saxofon spielt mal ganz zart, dann wiederum völlig verrückt die wildesten Rhythmen und Taktarten, während der Kontrabass der dunkelmondseitigen Musik eine Tiefe verleiht, wie diese sie bisher noch nie - auch unter dem intensiven Bassspiel eines ROGER WATERS - erhalten hat. Hinzu kommen noch alle elektronischen Spielereien und Klangeffekte, die bis in schmerzvolle Höhen gehen können und das bis dato so noch nie erlebte „The Dark Side Of The Moon“-Feeling gehörig durcheinander schütteln, bis einem das 73er PINK FLOYD-Meisterwerk wie eine lieb gewonnen Musik-Vorlage erscheint, die durch SAVOLDELLI, CASARANO, BARDOSCIA & BUDJANA zum ersten Mal ihre Jazz-Vollendung erhält. Eine Vollendung, welche in dieser Weise wohl bisher niemand für möglich hielt! Schade, dass ein RICK WRIGHT „The Great Jazz Gig In The Sky“ nicht mehr erleben darf!
FAZIT: Auch wenn ich mich hier einmal als jemand oute, dessen Lieblingsalbum von PINK FLOYD nicht „The Dark Side Of The Moon“, sondern „Animals“ ist, muss ich voller Hochachtung zugeben, dass diese jazzige Interpretation des Floyd-Klassikers mit dem Titel „The Great Jazz Gig In The Sky“ von SAVOLDELLI CASARANO BARDOSCIA eine wahre Meisterleistung des Jazz geworden ist, das eigentlich eine ähnliche Aufmerksamkeit wie das Original verdient hätte!
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.07.2016
Marco Bardoscia
Boris Savoldelli
Dewa Budjana
Boris Savoldelli, Raffaele Casarano, Marco Bardoscia
Raffaele Casarano
MoonJune Records / CARGO Records / Shack Media
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23.06.2016