UDO LINDENBERG wird 70!
Und das hört man leider auch auf „Stärker als die Zeit“, das mit „Die schweren Zeiten“ beginnt und für eine gute Stunde lang zur schweren Zeit für den Hörer dieses Albums wird, wenn der sich noch ein paar angenehme Erinnerungen an den ehemaligen Panik-Udo, der nunmehr zu einem No-Panik-Opa geworden ist, bewahren möchte.
Jede Menge öffentliche Aufmerksamkeit aber hat er - was interessiert da eigentlich das Album noch?
Das hüpft in den deutschen Charts sowieso auf Platz 1.
So sind wir Deutschen eben.
Wen wir einmal lieben, den ehren wir mit Chart-Platzierungen: HELENE FISCHER oder UDO LINDENBERG, das scheint doch völlig egal. Die Eine trällert atemlos, der Andere dödödödelt nuschelnd seine neuerdings Text-Plattitüden voller peinlicher Vergleiche und Zum-Schütteln-Reimen, die sich nicht reimen: „Wenn du gehst, kracht der Himmel ein / Und meine Sonne, sie hört auf zu scheinen“ - da geht man doch lieber noch einmal zum Phrasen-Reim-Schwein und wirft einen Euro ein (Ha, das reimte sich deutlich besser!).
Die „Coole Socke“ inszeniert sich nur noch - im Falle des Songs mal wieder mit einem Kinder-Chor, der das Wort „Arsch“ in die singenden Münder nehmen darf - selber. Lindenberg spielt sich auch auf „Stärker als die Zeit“ ähnlich wie in seinem Musical „Hinterm Horizont geht‘s weiter“ (auf), nach dessen Besuch man den Eindruck hatte, dass eine Legende sich als Musical-Comic-Figur demontiert und sogar noch so tut, als wäre sie maßgeblich für den Fall der Mauer verantwortlich.
Mensch, Udo, du coole Socke, vielleicht hätten wir ja gar nicht „Wir sind das Volk“, sondern „Wir sind der Udo“ rufen sollen, als wir auf die Straße gingen, um unser Leben gegen eine Diktatur einzusetzen, während du gerade mit Honi eine Lederjacke gegen eine Schalmei tauschtest?
Diese Selbstverliebtheit von dir kotzte mich übrigens schon lange Zeit an und manchmal dachte ich: „Hat der Typ überhaupt ‘ne Ahnung davon, dass die DDR keine Witznummer war?“ - ja, du hattest damals deine Lieder und ich erarbeitete mir (auch wegen dir) eine 270seitige Stasi-Akte.
Deine Lieder wollen auch jetzt noch alle hören, die Stasi-Akten interessieren doch kein Schwein mehr, auch nicht diejenigen, die noch immer im „Sonderzug nach Pankow“ sitzen oder mit dem „Mädchen aus Ostberlin“ in der neu gebauten „Rock‘n‘Roll-Arena von Jena“ deine Lieder hören dürfen.
Nur waren wir die Baumeister - nicht du!
Zum Glück gibt‘s einen einzigen Song auf dem Album, bei dem du neben all deiner eitlen Selbstverliebtheit der restlichen Titel, die sich nur noch um dich, aber nicht um diejenigen, die dich vor der Bühne so leidenschaftlich lieben, drehen, noch einmal deiner pazifistisch-politischen Seite besinnst: „Kosmosliebe“.
Doch was hilft mir ein Song, der mich an den „Alten“ erinnert, der jetzt nur noch ein „Alter“ ist?
Auch belügst du dich, der dem Tod wohl nicht nur einmal gerade so von der Schippe Gesprungener, neuerdings selber, wenn du deinem Körper in „Mein Body und ich“ dafür dankst, dass er dich „nicht im Stich“ gelassen hat, während du bei jeder Dokumentation oder auf allen Bildern deine fetten Cohiba-Zigarren rauchst. Vielleicht weißt du‘s ja noch nicht, aber Rauchen ist tatsächlich nicht gut für die Gesundheit! Solltest du‘s aber wissen, dann verkneif dir einfach solche Zeilen wie: „Ey, mein Body - du und ich, wir lassen uns nicht im Stich!“
Heute habe ich mir extra noch den ROLLING STONE gekauft, weil du da auf der Titelseite bist. Früher waren da immer richtig gute Musiker drauf, die zu diesem Zeitpunkt richtig gute Musik machten. Jetzt reicht‘s wohl, aus Anlass seines 70. Geburtstags darauf zu landen, selbst wenn man richtig schlechte Musik macht, wie du gerade! Aber kaufen muss man die Zeitschrift, denn vorne drauf pappt eine Vinyl-Single von dir, die‘s nur über den ROLLING STONE gibt. Ein echt geiler Deal, den ihr da vereinbart habt. Oder doch nur eine miese Nummer! Es ist eine miese Nummer, denn die A-Seite der Single enthält „Alles klar auf der Andrea Doria“ neu remastert. Das kaufen alle und so steigert man die Verkaufszahlen einer Zeitschrift genauso wie einer CD und den pervertierten Marketing-Ergüssen eines Musikers.
Aber das weißt du doch schon längst, Ud(Eur)o!
Deine Familie wird‘s dir danken!
Aber eins muss noch gesagt werden, auch wenn‘s zu diesem weichgespülten, glattgelutschten „Schlager“-Album namens „Stärker als die Zeit“ nicht viel mehr zu sagen gibt, außer so viel, dass HEINO seine neuste CD wenigstens „Arschkarte“ nennt, während du sie ziehst, selbst wenn du damit die Charts erobern wirst. Die schwülstigen Streicher auf deinem aktuellen Kuschel-Album, aufgenommen im „Abbey Road“-Studio, werden auch dadurch nicht besser, dass man sie dort aufnehmen lässt, wo die BEATLES ihre Alben aufnahmen.
Selbst wer sich die Lindenberg-Bilder genauer anschaut, seine Bewegungen, die Silhouette, welche angeblich so einzigartig ist, der hat wohl noch nicht bemerkt, dass genau die letzten Bilder von MICHAEL JACKSON gänzlich genauso choreografiert waren.
Oder all diese schrecklichen Lindenberg-Cover, welche allesamt gleich aussehen: Gesicht eines Mannes mit Hut, aber hallo, was soll das?
LINDENBERG ist die Kopie seiner selbst geworden. Und ob er es merkt oder nicht - dieses Album ist das Echolot für das langsame Sterben eines ehemals legendären Musikers, der im Zigarrenqualm seiner eigenen Cohibas vernebelt zu Boden sinkt.
Und während ich hier sitze, an dieser Kritik schreibe und das Album zum wiederholten Male höre, liegt mein Hund neben mir und fängt tatsächlich zu schnarchen an. Dafür scheint das Album gut genug zu sein - für mehr aber nicht.
Am Ende will ich gar nicht mehr über den üblen musikalischen Pate-Klau bei „Stärker als die Zeit“, dem abschließenden Album-Song, mehr sprechen, sonst schickst du mir vielleicht noch deine Udo-Familie auf den Hals: „Du spürst sofort, und das ist gut / Wir sind Familie, wir sind Clan, wir sind ein Blut [...] So wie der Sturm, so wie die Flut / Nichts hält uns auf, wir sind ein Blut“ - wenn ich dabei allerdings die trägen Streicher höre, dann ist mir die Angst genommen, sodass ich völlig tiefenentspannt und ein wenig schläfrig zum folgenden ...
... FAZIT kommen kann: „Stärker als die Zeit“ ist ein Album geworden, das wie ein schlaffer Penis klingt, während der Musiker darauf von einer gigantischen Erektion träumt und mit dem Arsch einen Deal getroffen hat, dass der zu seinen verträumten Schnarchgeräuschen einen lauten Rhythmus furzt.
Oder um‘s mit Lindenbergs eigenen Worten zu formulieren: „Hey, dein Gesicht und mein Arsch könnten gute Freunde sein!“ (Coole Socke) - nur dass der Kritiker dieser Zeilen eben lieber ein Arsch mit Ohren ist!
PS: Kurz vorm Hochladen dieser Review noch einmal im Netz recherchiert und was lese ich da gerade in der „Gala“?
„Es war eigentlich nur noch Formsache, jetzt ist es aber offiziell: Udo Lindenberg stürmt mit seiner neuen Platte "Stärker als die Zeit" von null auf eins der deutschen Album-Charts. Insgesamt ist es bereits seine dritte Nummer-Eins-Scheibe nach ‚Stark wie zwei‘, 2008, und ‚MTV Unplugged - Live aus dem Hotel Atlantic‘, 2011. Auf dem zweiten Rang steht aktuell der Soundtrack <a href="http://musikreviews.de/reviews/2016/Various-Artists/Sing-meinen-Song-das-grosse-Tauschkonzert-Volume-3-Deluxe-Edition/" rel="nofollow">‘Sing meinen Song - Das Tauschkonzert, Vol. 3‘</a>, auf Platz drei Andrea Bergs ‚Seelenbeben‘.“
Das passt - zwischen diesen Schlagergrößen reiht UDO LINDENBERG sich hervorragend ein.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.05.2016
Udo Lindenberg
Ein völlig unpanisches Panik-Orchester
Warner Music
62:26
29.04.2016