Gleich eine Klarstellung am Anfang dieser Kritik:
Wer denkt, dass es sich bei dieser Review um die norwegische Black-Metal-Band NATTEFROST handelt, der irrt, denn es gibt auch einen dänischen Elektronik-Klangkünstler namens Bjørn Jeppesen, der unter gleichem Namen sein Electronic-Projekt schon seit nunmehr 20 Jahren betreibt und sich deutlich an der sog. BERLINER SCHULE orientiert, die wir selbstverständlich mit MANUEL GÖTTSCHINGs ASH RA TEMPEL, TANGERINE DREAM, KLAUS SCHULZE und AGITATION FREE in Verbindung bringen.
Als eine Art Dankeschön für Jeppesens zwanzigjährige Pionierleistung im Rahmen dieser Musik erscheint nun ihm zu Ehre der Sampler „20 Years Of Nattefrost“, auf dem ganz unterschiedliche, ebenfalls der Berliner Schule verpflichtete Bands seine Kompositionen und Stücke auf ganz spezielle Art interpretieren. Dabei ist eine abwechslungsreiche zweistündige Reise durch das Klang-Universum elektronischer Musik herausgekommen, die garantiert allen Freunden der Berliner Schule und natürlich von NATTEFROST hoch erfreuen wird.
Der Flug Richtung Nachtfrost (übersetzt Nattefrost) beginnt mit DITHMAR, der als Pilot Techno meets Space verbindet, um dann dem Geldgeber DEUTSCHE BANK deutlich in Richtung KRAFTWERK zu folgen, die sich von GRIMM LIMBO mit entspannten ASHRA-Klängen ein wenig mehr Moral einimpfen lassen, um im SECTOR ONE auf TANGERINE DREAM kombiniert mit Electronic-Beats zu treffen.
CIRCLES OF AIR verbreiten dann mit dunklen Sprech-Samples, elektronischen Drums und tiefen Sequenzer-Tönen eine finstere, fast bedrohliche Stimmung, die mit einem Pferde-Galopp endet, der von THE HEATHER GROOVE vertrieben wird, indem sie den ersten Song beisteuern, in dem gesungen wird und der wie eine elektronische PET SHOP BOYS-Variante klingt, bei der diese sich wiederum von (im Verlaufe der zwei CDs immer wieder auftauchenden) TANGERINE DREAM begleiten lassen.
Mit CURRENT kommt dann etwas JEAN MICHEL JARRE-Stimmung auf und man wundert sich bereits nach der guten halben Stunde, welche unterschiedlichen Facetten die elektronische Musik aufweist, die ihren Ursprung beim dänischen Musiker BJÖRN JEPPESEN alias NATTEFROST hat.
Noch verrückter aber wird es, wenn HERTZINFARKT mit einem Neue-Deutsche-Welle-Electronic-Song aufwarten, der auch ein paar Popcorn-Elemente in sich trägt und der in dem von einem elektronischen Superhirn gesprochenen Satz: „Es ist alles in Ordnung, ja!“, gipfelt.
DEZEPTION docken genau hier an und präsentieren entspannte Dance-Beats über die immer wieder TD-Keys und verfremdete KRAFTWERK-Vocals gelegt werden.
Mit ELECTRIC ENEMY, dem auf CD 1 mit 12 Minuten längsten Stück, endet die CD mit anfangs entspannten Ambient-Sounds, welche eine gewisse Traum-Atmosphäre entfalten, um sich dann in die Richtung „X“-Zeit KLAUS SCHULZEs zu entwickeln. Hier hören wir zugleich, was sich hinter dem Begriff NATTERFROST verbirgt, der übersetzt „Nachtfrost“ heißt.
CD 2 wird im typischen TANGERINE DREAM-Sound von THE SILICON SCIENTISTS eröffnet und ist mit knapp 10 Minuten auch gleich das längste Stück der zweiten CD.
SYNTH.NL legen dann mit knapp 9 Minuten wummernde Beats und hoch tönende Sequenzer-Spielereien nach.
TIMESCAPE umkreisen jede KLAUS SCHULZE-Synthese und kopieren den großen Meister regelrecht.
Elektronisch verfremdeten Gesang gibt‘s daraufhin von DAN LACKSMANN zu hören, was wiederum Erinnerungen an KRAFTWERK weckt, wohl auch weil diesmal französisch gesungen wird.
Mit „There Is A Light“ schießen SONNENBRANDT dann ein paar an ANNE CLARK erinnernde Salven in die Atmosphäre, während männlicher Gesang den Song auch noch in die YELLO-Ecke rückt.
SIGNEY LIME kombinieren Gothic und Electronic miteinander und lassen dunkle Schlagrhythmen ihre „Geister-Gedanken“ dominieren.
Kurz darauf erscheint uns dann statt Düsternis das „Divine Light“ von NOMATISAN mit ART OF NOISE-Rhythmen und etwas Pop-Appeal.
Kosmos-Musik vom Jupiter präsentiert uns JONTEKNIK und bei TOR BRANDT geht es ziemlich blutig zu, wenn er in „Mit Hedenske Blod“ fast bombastische Gong-Klänge in ein zwar elektronisches, aber sehr mittelalterlich wirkendes Sound-Gewand plus beschwörende, finstere Gesänge kleidet.
Mit einer in Deutschland schon als Krautrock-Legende geltenden Band findet „20 Years Of Nattefrost“ ein würdiges Ende. MYTHOS lassen die Elfen wirklich durch den elektronischen Krautrock tanzen. Welch gelungener Abschluss!
FAZIT: NATTEFROST hat gerufen und 20 Bands folgten!
Für jedes Jahr so gesehen eine, denn „20 Years Of Nattefrost“ enthält aus der gesamten Ära des dänischen Electronic-Künstlers Bjørn Jeppesen eine Coverversion seiner episch-elektronischen Klangwerke, die von Bands aus aller Welt auf ihre ganz spezielle, aber eben von NATTEFROST komponierte Weise umgesetzt werden.
Grandiose Idee!
Grandioses Album!
Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.03.2016
Sireena / Broken Silence
113:06
01.04.2016