Wenn Anfang August wieder 75.000 Mehr-oder-weniger-Metaller ins norddeutsche Wacken pilgern, ist der Erfolg der Macher des dortigen Festivals einmal mehr garantiert, und man kann von dem Phänomen, das weltweit Szene-Diskussionen wie Mainstream-Medien beherrscht, was auch immer halten, aber sicherlich nicht vorwerfen, es lasse qualitativ zu wünschen übrig. Wer die Luft der Big Players des Metal (und von Rockmusik im weitgefassten Sinn) schnuppern und erfahren möchte, was in puncto Logistik bei Großveranstaltungen möglich ist, kommt an Wacken nicht vorbei.
Da bietet sich diese DVD/Blu-ray-/CD-Vollbedienung bestens an, um zumindest ausschnitthaft einen Eindruck des Ganzen zu bekommen. Der Fokus liegt hier auf der Musik, während die Peripherie längst von anderen Filmen abgedeckt wird und wurde, wozu man nicht unbedingt halbseidene Pseudo-Dokus privater Fernsehsender zurate ziehen sollte. “Live At Wacken 2015” rekapituliert selbstredend die letztjährige Ausgabe des Festivals, wobei sich selbstverständlich jeder über die Auswahl der Beiträge streiten kann. In puncto Inszenierung ist die Chose aber über jeden Zweifel erhaben.
Der Schreiber dieser Zeilen stößt sich an Zeug wie BURGERKILL oder (vor allem) SANTIANO, aber das gehört zum von jeher streitbaren Charakter des Festivals (erinnert sich noch jemand an "Nur Spacken in Wacken" 1996 aufgrund von Protesten gegen BÖHSE ONKELZ?), und bei einer solchen Fülle von Bands kann nicht jedem alles gefallen, ob man nun direkt vor Ort war/ist oder vor der Mattscheibe sitzt. Zu den Highlights des Produkts zählen definitiv - um im verhältnismäßigen Underground zu beginnen - MANTAR mit ihrer bombigen Performance, die dem allseitigen Hype um ihre Musik auf jeden Fall gerecht werden, außerdem Benji Webbe und seine SKINDRED, die eigentlich live immer gehen, insbesondere eben auf Festivals, die immer noch im vollen Saft stehenden EUROPE und DEATH ANGEL, für die das Gleiche gilt für die Reggae-Briten: genial in allen Konzert-Kontexten.
Eindrücke vom Metal Battle diverser Nachwuchstruppen wie SAVAGE MACHINE, BLAAKYUM, METAPRISM, WALKWAYS oder VESPERIA ergänzen den bunt gemischten und mitreißend gefilmten Reigen, der zwar nur im Ansatz deutlich macht, wie riesig das Event auf den Ackern in Deutschlands hohem Norden geworden ist, aber dennoch seinesgleichen sucht. Wer kann, kann halt, und die Ressourcen sind "da oben" definitiv in hinreichendem Maß vorhanden. Der Fan erhält "Live At Wacken 2015 – 26 Years Louder Than Hell" wahlweise als Doppel-DVD oder Blu-ray mit zwei CDs im Digipak, die jeweils 35 Songs der auftretenden Acts enthalten, bildlich und klanglich natürlich auf der Höhe der Zeit. So, jetzt erst mal die letzte DANKO JONES wieder einlegen, auf die der Rezensent dank der beiden Songs hier wieder große Lust bekommen hat …
FAZIT: State of the art von den Wacken-Machern und dem Schwesternlabel UDR: "Live At Wacken 2015 – 26 Years Louder Than Hell" bietet das volle Programm an stilistisch breitgefächerter Unterhaltung mit Metal und mehr, wie man sie in Sachen Niveau (optisch, akustisch) von kaum einer Band allein geboten bekommt, weil hier eben alles over the top ist. Das gehört zum guten oder (je nach subjektiver Präferenz) schlechten Ton der Veranstalter und ihrer Zuarbeiter, aber daran, dass es sich um Überzeugungstäter mit Leidenschaft handelt, dürfte kein Zweifel bestehen. Der Erfolg gibt ihnen letzten Endes Recht - und das ist in diesem Fall nicht das übliche Totschlagargument, sondern schlicht Fakt.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.08.2016
UDR
ca. 267 Min.
05.08.2016