Serbien!?
Für viele sicher ein weißer Fleck auf der musikalischen Landkarte. Sicher wird auch der serbische Jazz-Rock-Komponist und Keyboarder mit seiner Musik auf „Alive“ diesbezüglich keine Abhilfe schaffen. Er setzt aber ein Achtungszeichen, das uns darauf hinweist, dass die ganz großen Jazzer auch aus einem klitzekleinen, kriegsgebeutelten Balkanstaat in Südosteuropa kommen können, der zahlenmäßig gerade mal zwei Drittel der bayrischen Bevölkerung ausmacht. Die VASIL HADZIMANOV BAND - eine Entdeckung aus dem besonders anspruchsvollen Musikhause Moonjune - ist hierfür der beste Beweis, denn die fünf Serben und der eine Südkalifornier brauchen sich hinter keinem namhaften Jazz-Rocker zu verstecken, denn „Alive“ offenbart uns, dass sie bereits in vorderster Jazz-Rock-Reihe stehen. Auf diesem live während ihrer Serbien-Konzerte aufgenommenen Tournee im Oktober 2014 erleben wir in erster Linie breit instrumentierten Jazz-Rock (Keys, Gitarren, Schlagzeug, Bass, Percussion und Stimmen), bei dem neben dem klassischen Rockinstrumentarium zusätzlich das Saxofon eine maßgebliche Rolle spielt.
Unerlässlich ist auch zu wissen, dass das serbische Ausnahmetalent an den schwarz-weißen Tasten nicht nur Absolvent des Berklee College Of Music in Boston ist, sondern bereits gemeinsam mit NIGEL KENNEDY und DAVID GILMOUR sowie vielen Jazz-Größen musizierte. Bedauerlich ist im Grunde nur, dass kaum jemand weiß, dass Hadzimanov bereits sechs Alben veröffentlichte und seit über 15 Jahren aktiv ist. Vielleicht verhilft ihm der Moonjune-Deal endlich zu etwas mehr Aufmerksamkeit!
Die Musik der VASIL HADZIMANOV BAND bewegt sich irgendwo in der Jazz-Schnittmenge von JAN GARBAREK, RETURN TO FOREVER bzw. WEATHER REPORT und PAT METHENY sowie einer progressiven Fusion aus Weltmusik, Ethno und Rock plus der einen oder anderen ZAPPAesken Idee.
Bereits das erste 11 Minuten lange Stück „Nocturnal Joy“ wartet mit einem mordsmäßigen, ausgiebigen Saxofon-Solo auf, bis plötzlich die komplette Band mit dynamischen Jazz-Rock einsteigt, aber das Saxofon weiterhin die Oberhand behalten darf. Das kann durchaus auch richtig „Free“ klingen, ohne in extrem schräge Dimensionen abzudriften.
<a href="https://www.youtube.com/watch?v=mxQ6Jn98gTQ rel="nofollow">„Zulu“</a>, ebenfalls knapp 11 Minuten lang, setzt zusätzlich noch auf verfremdeten Gesang, der wie eine Gebetszeremonie klingt, bis wiederum das Saxofon einsetzt, erst im Duett mit dem Sänger und dann ganz die Führung übernimmt.
In „Dolazim“ darf nun endlich das Schlagzeug zu großer solistischer Form auflaufen und wird rein experimentell von den anderen Instrumenten begleitet. Free-Jazz pur!
Um ein Wechselbad der Gefühle zu entfachen, ist das folgende zehnminütige „Odlazim“ eine feine, entspannte und zugleich progressive Rocknummer, welche sich die Freiheit nimmt, eine schöne Melodie zu kreieren und eine Gitarre die „erste Geige“ spielen zu lassen. Dazu ein dumpfer Schlagzeugton, der einem fast hypnotischem Rhythmus folgt, wie es schamanische Trommler tun.
„Tovirafro“ erhält eine SANTANA-Funknote und das Keyboard darf ausgiebig und geil drauflosorgeln, bis eine ganz seltsam klingende Damenstimme mir japanisch anmutenden Weisen aufwartet, welche dann zu einer männlichen Stimme wird und uns zu erkennen gibt, dass alles Weibliche zuvor nur mithilfe moderner Verfremdungstechnik verwirklicht werden konnte.
„Razbolje“ ist ein klassisches Piano-Stück, welches als Begleiter vermutlich einen Kamm (Oder ist es doch das Saxofon?), auf dem geblasen wird, erhält. Anfangs gewöhnungsbedürftig. Dann wunderschön.
Auf „Uaiya“ darf sich noch einmal das Saxofon so richtig austoben, bis das letzte, knapp 13 Minuten lange „Otkrice Snova“ in einer Art großem Finale all die vielfältigen Jazz-Spielarten der insgesamt zu diesem Zeitpunkt vorangegangenen Musik-Stunde in sich vereint und sogar noch ein paar FLOYDianische Gitarren-Erinnerungen draufsetzt.
Da bleibt nur ein FAZIT übrig: Allererste Güteklasse live dargebotenen Jazz-Rocks, der bei uns nicht mit Punkten, dafür aber der Hochachtung des Kritikers bewertet wird!
Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.05.2016
Miroslav Tovirac
Bojan Ivkovic
Branko Trijic
Vasil Hadzimanov
Peda Milutinovic, Bojan Ivkovic, Branco Trijic
David Binney (Saxofon)
Moonjune / Cargo Records / Shack Media
72:46
29.04.2016