Die "Liventure"-Reihe geht in die nächste Runde: Mit "Azmari: Abyssinian Liventure" veröffentlichen die umtriebigen Russen VESPERO eine weitere Konzertnachlese, die wie von ihnen gewohnt einen leicht anderen Schwerpunkt setzt als ihre Vorgänger. Der quantitativ üppige Mitschnitt vom 5.5.2015 im Unions-Künstlertheater Astrakhan zeigt die Formation als Septett (ist ja nicht selbstverständlich bei diesem Kollektiv um ein paar Kernmitglieder) mit neueren Werken aus ihrem bunten Katalog und lebt wie gewohnt von einem wahnsinnig unmittelbaren und dennoch edlen Sound.
Diese Live-Alben nehmen VESPERO von jeher zum Anlass für ausgiebige Improvisationen, wobei die Originalstücke aber stets wiedererkennbar bleiben. Der eröffnende Brocken 'Lique Mekwas' ist zugleich das längste Stück (18 Minuten vom Album "Lique Mekwas" aus diesem Jahr) und bietet allen, welche die Gruppe noch nicht kennen sollten, die Rundum-Vollbedienung eingedenk floydiger Zitate (der Echo-Bass) und ausufernder Saxofon-Eskapaden. Wie immer bestechend dabei, die Rhythmusarbeit von Tentakel-Drummer Ivan Fedotov und seinem Bass-Bruder Arkady, dessen hypnotisches Spiel an die Hochphase von OZRIC TENTACLES erinnert - was man auf diesen Seiten sicherlich schon oft genug als Lob gelesen hat.
'Maui' verführt dann kurz und knapp mit E-Geige zu einem Ethno-Ritt gen Südsee-Weltall, falls das Sinn ergibt, doch die Basis, die das hier liest, weiß Bescheid. 'Tall Tree' von By The Waters Of Tomorrow" (die ältesten Beiträge stammen auf "Azmari" wie dieser von 2010) drosselt daraufhin das Tempo und sorgt für eine Verschnaufpause, ehe die Stoßrichtung von "Lique Mekwas" mit 'Abyssinian Ground' wiederaufgegriffen wird - Doublebass-Finale inklusive.
Mit 'Frozen Lillies (Melt In Heaven)' lehnen sich VESPERO am weitesten aus dem Jazz-Fenster, wobei die entrückten Streicher und Synthesizer-Sounds - findig in den Hintergrund des Stereo-Panoramas gemischt - ein weiteres Highlight der Darbietung markieren. 'Marine' und 'Shumir-Shir' nehmen einander nichts an Trippigkeit und Farbenfreude, bevor das wiederum neue 'The Emperor’s Second Self' vielleicht am deutlichsten zeigt, wo die Band momentan steht - zwischen Drone und melodischem Freakout mit erweiterter Besetzung, die eine Fülle von Emotionen erweckt.
FAZIT: Als Space-Rock-Fan und Freund angrenzender Bereiche braucht man diese Scheibe so dringend wie eigentlich alle von VESPERO, der schlichtweg wichtigsten und besten aktuellen Band dieses Undergrounds.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.10.2016
Ardkady Fedotov
Alexander Kuzovlev
Alexey Klabukov
Ivan Fedotov, Alexander Timakov
Vitaly Borodin (Geige), Pavel Alekseev (Saxofon)
Eigenvertrieb
67:20
14.10.2016