Einen fast kometenhaften Aufstieg haben die Deathcorer WALKING DEAD ON BROADWAY (WDOB) hinter sich: Nach einer ersten EP kommen sie mit ihrem Album-Debüt gleich beim Impericon-Label unter, es folgte eine Tour, u.a. mit WHITECHAPEL. Jetzt, ziemlich genau zwei Jahre nach „Aeshma“, haben WDOB ihren Zweitgeborenen „Slaves“ am Start.
Im Vergleich zum vorigen Album fallen zwar keine einschneidenden Änderungen ins Auge bzw. Ohr, es gibt nach wie vor Gebolz und Gebrüll, alias Deathcore im Stile von beispielsweise SUICIDE SILENCE, mitsamt den typischen Kontrasten zwischen Hochgeschwindigkeitsvernichtung und „suuperhäftig Breaksedownse“.
Doch mit „Slaves“ zeigen die Leipziger, dass sie mehr können, als ihren Vorbildern, bzw. inzwischen Tour-Kollegen, nachzueifern, und im Bestreben, möglichst FUCKING BRUTAL zu sein, die genre-typischen Stilelemente abzuklappern.
Obwohl man bei „Aeshma“ immer wieder das Gefühl hat, dass ja eigentlich alles da wäre, dass es eigentlich ein zumindest richtig ordentliches Album wäre, bleibt doch nicht so viel hängen, wie man erwartet. Obwohl WDOB nun mit „Slaves“ ihrem Stil wie gesagt weitgehend treu bleiben, treten sie nicht auf der Stelle, sondern haben sich spürbar weiterentwickelt.
Mit dem (nach dem obligatorischen Evil-Intro) ersten Song „Pitchblack“ schaffen es WDOB, Aggression mit Catchiness auf sehr überzeugende Weise zu verbinden, sowie „Aeshmas“ Manko des Hörens-und-wieder-Vergessens gleich zu Beginn vergessen zu machen: Das Stück versucht weder übermäßig schnell noch ein einziger Breakdown zu sein, auch die Einarbeitung einer getragenen Melodie gelingt hervorragend. In eine ähnliche Richtung, sowohl musikalisch als auch qualitativ, geht „Silen“.
<a href="https://www.youtube.com/watch?v=Ey_zdR12dyU" rel="nofollow">„Haunted“</a> dagegen bedient mit den altbekannten synkopierten, monotonen Riffs und dem effektvollen Kontrast zwischen Breakdowns und schnelleren Passagen eher die Haudrauf-Fraktion. Zu diesem Kontrast steuert Sänger Robert einen entscheidenden Teil bei: Sein Wechsel zwischen angepisstem Gegeifer und tiefen, tiefen Growls ist so unterhaltsam wie beeindruckend.
Wesentlich denkwürdiger als der Titeltrack schlägt auch „Scapegoat“ in die Knüppel-Kerbe, man hat hier den Eindruck von aggressionsgeladener Zielgerichtetheit, von mehr als nur dem Anspruch, möglichst viel Wut zu Tonträger zu bringen.
Doch dann. „01110010“: Was ist das? Kommen jetzt CARACH ANGREN vorbei und spielen ein „Nothing Else Matters“-Cover? Akustikgitarre! Streicher! Chor! Midtempo! Kein Geschrei, kein Bassdrum-Galopp, nur ein paar dezente Riffs zwischen diesem ganzen… anderen…! Zu Hülf!
Nein - eigentlich ist es ein recht interessantes Instrumentalstück, das an einen Actionfilm-Sountrack erinnert und beweist, dass man solche melodischen Intermezzi auch wesentlich intelligenter und gehaltvoller gestalten kann, als einen gebrochenen Moll-Akkord auf der Akustischen rauf und runter zu zupfen und ein verzerrtes Jesusmensch/Nachrichtensprecher-faselt-vom-Ende-der-Welt-Sample drüber zu klatschen.
Wie um jeden falschen Eindruck auszumerzen, geht es auf dem nachfolgenden „The Sinner“ wieder abwechselnd hals- und nackenbrecherisch zu, und ohne an Brutalität einzubüßen, bringt man sogar ein nettes Solo unter.
Mit dem abschließenden „Death Pilgrim“ ziehen die Leipziger noch einmal alle Register, vereinen Melodie mit Raserei, und was dabei herauskommt, ist brutal und episch oder brutal episch oder – was auch immer.
FAZIT: Auf „Slaves“ entwickeln sich WDOB innerhalb der Grenzen des Genres (und manchmal darüber hinaus) weiter, arbeiten ihr eigenes Gesicht heraus. Das Album bietet eine Fülle an starken Songs, die merklich ein höheres Ziel verfolgen, als nur möglichst derbe auf den Putz zu hauen. Einem davon aber das Prädikat „Überragend“ ans Revers zu heften, fällt schwer, dieser erhebende Moment von unwillkürlichem Grinsen und Sich-auf-die-Schenkel-klatschen – das ist es! - stellt sich, trotz der im Großen und Ganzen überzeugenden Qualität, nicht ein.
Aber vielleicht muss man die Herren dazu mal live gesehen haben – und diese Wissenslücke werde ich berichtender Weise demnächst schließen, denn WDOB sind mit „Slaves“ zurzeit promotender Weise auf Tour, hauptsächlich in Deutschland.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.11.2016
Kevin Orliange
Robert
Max, Michael
Stephan Groth
Arising Empire/Nuclear Blast
38:11
11.11.2016