Kollege Koß hörte in Bezug auf den Vorgänger „...Noticed My Heart“ einen gefälligen, aber noch etwas unentschlossenen Kompromiss zwischen dem Befolgen eingesessener Jazz-Dogmen und zaghaften experimentellen Wagnissen heraus, unter Verarbeitung bestimmender Einflüsse durch JACO PASTORIUS.
Mit seinen (vermutlich langfristig gemeinten) Plänen, am Strand aufzuwachen, verhärtet Jazz-Bassist ACHIM SEIFERT diese Eindrücke, die man allerdings auch als besonderen Reiz interpretieren kann: Ausgehend vom Etablissement macht das Verbiegen von Regeln schließlich besonders viel Spaß. Vermutlich kann man „Plans To Wake Up On The Beach“ gerade deswegen eine außergewöhnlich frische Strichführung attestieren, weil es in den Arrangements zunächst den klassischen Bar-, Soul- und Beschallungsjazz nachbildet, wie er typischerweise im eigenen Safte schmort, um ihn unerwartet mit rhythmischen Eruptionen aus dem Kälteschlaf zu befördern.
Die Präsentation deutet insgesamt auf einen Solokünstler hin, was bis auf wenige Ausnahmen (wie „On My Way“, das effektiv ein improvisiert wirkendes Bass-Solo mit Percussion-Begleitung und dezenter Hispano-Note darstellt) nicht den tatsächlichen Höreindrücken entspricht. Das Bass-Fundament gibt selbstverständlich den Ton an, sieben weitere Mitspieler an unterschiedlichen Instrumenten kleiden die Kompositionen allerdings in einen dynamischen Band-Korpus.
Gerade in den Highlights, etwa beim ungemein facettenreichen, schnell und oft die Stimmung wechselnden „Cherokee“, fühlt man sich an die besten Momente der deutschen Jungjazzer TRIOSENCE um Bernhard Schüler erinnert, die aus einer ähnlichen Position Routine und eklektische Virtuosität mit Momenten der Überraschung garnieren. Es ist außergewöhnlich, wie sich das Hauptmotiv dieses Stücks über den flitzenden Bass einprägt, mit harten Pianoanschlägen auf die grobe Schlagzahl heruntergebrochen wird und zugleich über Flöte und asymmetrischem Schlagzeug wuselnde Energie gewinnt.
Trotz der Fülle an Instrumenten und dieser Momente spielerischer Perplexität überwiegen die sanft erscheinenden Augenblicke, die erst im zweiten Eindruck offenbaren, dass auch sie nicht zwangsläufig von schlichter Natur sind, nur weil sie einen relativ zurückgenommenen Eindruck vermitteln. Seifert beherrscht komplizierte Anschlagstechniken ebenso wie er die Geduld hat, eine schlichte Abfolge von Noten in immer gleichen Abständen über mehrere Minuten zu halten und seine Mitspieler beweisen meist das richtige Gespür, um die breit gestreuten Stärken des Bandleaders von lockerer Hand zu unterstreichen.
FAZIT: Das ACHIM SEIFERT PROJECT liefert einmal mehr aus traditioneller Basis heraus zeitgemäßen Jazz, der nicht aggressiv auftreten muss, um sein Publikum zu finden. Wird eine gute Bassführung nur ansprechend in Szene gesetzt, kann das schon den kleinen Unterschied zwischen „gewöhnlich“ und „außergewöhnlich“ ausmachen.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.02.2017
Achim Seifert
Julian Külpmann, Rainer Winch
Julius Martinek (Piano, Rhodes), Nicolai Finke (Tenor / Sopransaxophon), Christoph Spangenberg (Piano), Stephan Emig (Percussion, Programming), Sarpay Özçağatay (Flöte)
Unit Records
50:38
11.11.2016