Jetzt bitte alle melden, die sich immer noch nach einem vierten NOEKK-Album sehnen, ja? Okay, ihr drei Wichte, Finger wieder runter und freuen, denn BALD ANDERS sind quasi Methadon für den Wald-und-Wiesen-Prog von Schwadorf und Helm.
Hinter dieser Band stecken die König-Brüder vom bayrischen Black-Metal-Kult LUNAR AURORA, die in ihrem neuen Bandumfeld bei aller Kunstfertigkeit eine ausgesprochene Heaviness an den Tag legen. Diese müsste „Sammler“ auch in Metal-Kreisen zünden lassen, auch wenn die Scheibe aktuell (noch) weitgehend auf Unverständnis oder sogar Ablehnung stößt. Dies mag vor allem an den Inhalten liegen, zu deren Beschreibung sich Musiker und Label sogar nicht zu schade sind, auf den seligen Otfied Preußler ("Räuber Hotzenplotz", "Krabat") als Impulsgeber zu verweisen. Dementsprechend kauzig ist die auf "Sammler" vorherrschende Stimmung.
BALD ANDERS lassen sich gemütlich Zeit, um ihre Kleinodien zu mitunter atemberaubenden Klanggebirgen aufzubauen, was gleichwohl auf unberechenbare Weise geschieht, denn wenn dieses hervorragend produzierte Album eines auszeichnet, dann ist es seine irgendwie analog anmutende Dynamik, die ganz im Zeichen von klassischem Progressive Rock steht, so wie ihn selbst viele Altehrwürdige des Genres heute nicht mehr im Studio hinkriegen.
Dann gibt es eigentlich auch rein musikalisch nichts, was den Hörer zeitgenössischer Rockmusik mit urig proggiger Note nicht ansprechen sollte. Zum Liebhaben der Truppe muss muss man sich bloß zunächst Sänger Izzy Wiggum gewöhnen, dessen eigenwillige, aber dafür völlig von Stereotypen befreiten Texte oft in den Brennpunkt der überwiegend schleppenden, aber facettenreichen Kompositionen rücken. Diese verbreitet dank Orgel sowie Vibrafon ungeachtet ihrer Verschrobenheit anheimelnde Wärme und macht die Gruppe letzten Endes auch zu einer, falls nicht der Entdeckung des Jahres.
FAZIT: Deutsche Lyrik bar jeglicher Klischees, an- und abschwellende Soundlandschaften aus warmen Riffs und Orgel, fertig ist ein Album, das mit im Grunde genommen völlig geläufigen Mitteln Gefühle erzeugt, die man in keinem Rock- oder Metal-Setzkasten, sondern eher im Kinderbuchregal findet. Muss man gehört haben, und zwar täglich einmal. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/0fb69d260e684321a2c210fa3cddd37c" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.09.2017
Trollmusic / Soulfood
49:44
18.08.2017