Oha, 2010 war BENJAMIN PETERS als „Unser Star für Oslo“ zum Eurovision Song Contest nominiert, den dann unser auf die Dauer extremer Peinlichkeitsbolzen LENA, die sich mit einer Medien-Maschinerie im Rücken von anfangs naiv-sympathisch hin zu peinlich-nervig entwickelte, gewann, und flog gleich in der ersten Runde raus. Ob das nun für oder gegen ihn spricht, ist eine Frage, die zum Glück nicht beim ESC entschieden wird, sondern sich anhand der Musik, die er selber veröffentlicht, entscheidet!
Und mit seinem aktuellen 2017er-Album „Bonnheimer“, das er gemeinsam mit seinem Power-Rock-Duo The Electric Irons einspielte, steht die Antwort fest: BENJAMIN PETERS & THE ELECTRIC IRONS gehören auf keine ESC-Bühne (Auch wenn‘s nach dem letzten ESC-Sieger Salvador Sobral wieder große Hoffnung für den Wettbewerb gibt!), sondern auf die Rock-Bühnen dieser Welt, auf denen schon zuvor die „echten Rockgrößen“ standen und nicht die Sternschnuppen für einen großen, dann schnell wieder vergessenen Tag im Rampenlicht mit Millionenpublikum vorm Fernseher.
BENJAMIN PETERS lebt und liebt ganz offensichtlich die Musik, die er macht und die von den STONES genauso geprägt ist wie von BOWIE, BEATLES oder THE WHO. Es sind die Klassiker, denen er sich hingezogen fühlt, vielleicht ein wenig in der Hoffnung, selber einmal einer zu werden – bei der Stimme, der Leidenschaft, den Texten und einfallsreichen Kompositionen besitzt er durchaus das Zeug dazu.
Nur quält den Kritiker dabei schon wieder im Hinterkopf die Frage, ob diese legendären Vorbild-Rocker auch heute legendär wären, wenn sie in Bohlen-Deutschland und mit dem Casting-Wahn für die Hoffnung, kurzzeitig zur schnellen, gut verdienenden Musik-Sternschnuppe zu werden, oder dem Radio-Mainstream für die Bügeleisen-Fraktion (Gibt‘s da eine Parallele zu ELECTRIC IRONS?) musikalisch sozialisiert worden wären? Musik, die im kleinbürgerlich-deutschen Hier und Heute ihre Unschuld an einen MODERN TALKING-Deppen verloren hat, weil sie zum Geschäft verkommen ist und der man in den öffentlich-rechtlichen Medien den mutigen Kunstbegriff wie einen Wurmfortsatz amputiert hat – nur dass die Amputierer blinde Därme mit Hang zu musikalischen Fertig-Tüten-Suppen sind, denen ein paar weichgekochte Noten als Nudelbeigabe ausreichen.
BENJAMIN PETERS ist jedenfalls völlig gegensätzlich „Musik-sozialisiert“ und misst nicht nur Klang, Text und Komposition große Bedeutung bei, sondern auch der Gestaltung und der passenden Stimmung. Darum sollte man unbedingt darüber nachdenken, ob man sich, wenn man auf gute, straighte, aber auch abwechslungsreich-verspielte Rockmusik, die tatsächlich auch noch live im Studio eingespielt wurde (Peters: „Die acht Songs haben wir, ganz der alten Schule nach, live eingespielt.“) steht, besser gleich von „Bonnheimer“ die limitierte Buch-Ausgabe bestellt, die dann tatsächlich nicht etwa in CD-Digibook-Größe, sondern als Hardcover-Buch in normaler Buchgröße (also A-5-Format), das herrlich von <a href="http://nunsichtbar.de" rel="nofollow">Udo Fischer</a> in einem Stil zwischen DALI und MARGITTE gestaltet wurde (Peters: „...das geniale Artwork, welches aus meiner Sicht nicht weniger als ein vollkommenes Meisterwerk ist.“) und alle Texte, jede Menge professionelle Schwarz-Weiß-Foto-Impressionen zu den Aufnahmesession und Musikern enthält, wozu BENJAMIN PETERS im Vorwort feststellt: „Das Buch ist die Quintessenz der Zeit, die wir im Studio verbracht haben“. Außerdem enthält es auch eine tierische Lösung dafür, warum dem Album der Titel „Bonnheimer“ verpasst wurde.
Übrigens trägt das Titelbild des Covers als Kunstwerk den geheimnisvollen Namen „Die Abzweigung am Quell der Weisheit“ - und wer das Album hört, der wird eine ähnliche Wirkung auch bei der Musik spüren, wenn beispielsweise auf dem rockig beginnenden „Fire In The Hallway“ sich Peters urplötzlich auf die Spuren von DAVID BOWIE begibt und diesen singend in einem ruhigen Zwischenspiel des rockigen Songs fast originalgetreu imitiert. Das erinnert alles ein wenig an FRANK ZAPPA, als der in seinem fantastischen „Sheik Yerbouti“-Album mit einem Schlag anfängt, auf „Flakes“ BOB DYLAN nachzuahmen – in dem Fall allerdings mehr unter ironischem Blickwinkel.
Aber auch auf ein Schlagzeug-Solo in <a href="https://www.youtube.com/watch?v=gaBlbwp-C_4" rel="nofollow">„Turn It Around“</a> und überdeutliche ROLLING STONES-Erinnerungen, bei denen selbst ein Hooo-Hooo-Hooo nicht banal, sondern herrlich stimmungsvoll rüberkommt, wird nicht verzichtet, während sich BENJAMIN PETERS & THE ELECTRIC IRONS, die auch gerne mal einen BELINDA CARLISLE-Song wie <a href="https://www.youtube.com/watch?time_continue=4&v=GC0_vBVcHh0" rel="nofollow">„Circles In The Sand“</a> in ihrer ganz persönlichen Cover-Version wie eine Americana-angehauchte IGGY POP-Ballade klingen lassen, auf den schwer beeindruckenden Höhepunkt von „Bonnheimer“ zubewegen, denn „Full Moon Tide“, ein sehr nachdenklich stimmender Song zur Flüchtlingsproblematik, der tatsächlich gekonnt alle platten Klischees umgeht, bekommt dann als grandioses Finale auch noch das „The End“-Flair der DOORS verpasst.
FAZIT: Nach dem Genuss des musikalischen Gesamtpakets „Bonnheimer“ von BENJAMIN PETERS & THE ELECTRIC IRONS steht jedenfalls eins fest: ein <a href="https://www.youtube.com/watch?time_continue=1&v=UX4kHdhH4mA" rel="nofollow">„Always Stays The Same“</a> gilt nicht für dieses moderne und zugleich retro-rockende Album, das in seiner „Limited Book Edition“ sogar noch durch ein echtes, 52 Seiten starkes Hardcover-Buch mit allen Texten, faszinierenden Kunstwerken und großartigen Schwarz-Weiß-Fotos beeindruckt.
PS: Und wo das Album samt von Freunden guter, authentischer Rockmusik gekauft wird, ist ja eigentlich klar, <a href="https://benjaminpeters.bandcamp.com" rel="nofollow">genau hier mit einem Klick</a> und nicht bei...
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.10.2017
David Trapp
Benjamin Peters
Benjamin Peters
Simon Scheibel
Eigenvertrieb
38:43 + 52 Seiten
13.10.2017