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Big Big Train: A Stone‘s Throw From The Line (Limitierte Erstauflage mit 40seitigem Booklet)

Stil: Progressive Folk-Rock

Cover: Big Big Train: A Stone‘s Throw From The Line (Limitierte Erstauflage mit 40seitigem Booklet)

Es ist noch immer die ganz große Frage: „Wie würden wohl BIG BIG TRAIN ihr fast klassisch-orchestral überambitioniertes Studio-Meisterwerk mit großer Orchesterbeteiligung ‚Folklore‘ live auf der Bühne umsetzen können?“
Mit „A Stone‘s Throw From The Line“ erhalten wir die beeindruckende, rundum gelungene Vorab-Antwort auf diese Frage! Auch wenn mit diesem Konzert im Grunde „Folklore“ erste eingeleitet wurde, da die Aufnahmen von den Konzerten aus dem Kings Place London stammen, welche vom 14. bis 16. August mitgeschnitten wurden und über die bereits auf und im <a href="http://musikreviews.de/reviews/2016/Big-Big-Train/Stone--Steel-Limitierte-Erstauflage-im-Hardcover-Media-Buch/" rel="nofollow">„Stone & Steel“-Hardcover-Media-Book</a> ausgiebig berichtet wird. Die Antwort ist so offensichtlich ausgefallen, dass sie im Vorfeld über das Auskunft gibt, was uns weiterhin von BIG BIG TRAIN live erwarten wird.

<a href="https://www.youtube.com/watch?v=wKe1FdztHGM" rel="nofollow">„Make Some Noise“</a> eröffnet den Konzertreigen vorerst noch ein wenig verhalten, doch bereits beim folgenden Neunminüter „The First Rebreather“ stellt sich der Eindruck ein, man hätte noch nie einen BIG BIG TRAIN-Song gehört, der so intensiv die 70er-Jahre-GENESIS-Aura in sich trug. Sogar PETER GABRIEL vermutet man hinterm Mikro! Und statt einem Klon-Verdacht überfällt einen ausschließlich eine minutenlange Gänsehaut, die uns nicht mehr loslässt. Das war der Gänsehaut erster Streich – und über unsere Ohren folgt der nächste zugleich. Denn nun tauchen wir ganz tief in den 70er-Prog-Wunderwald ein, in dem uns die Feen zärtlich zuflöten oder auch intensiv eingeigen, während die Waldschrate uns ordentlich einen mit ihren Hörnern und Trompeten blasen oder mit Mellotronen in Trance orgeln, ein Orchester für bombastische Klanggewänder sorgt, Gitarren und Bässe mal zart, aber auch fordernd uns ihre Saitenzaubereien zu Füßen legen, das Schlagzeug einen hypnotischen Rhythmus dazu beiträgt und alle Solo- und Satzgesänge wie aus einer nie vergessen gewähnten, aber immer herbeigesehnten, weil irgendwie schöneren Prog-Vergangenheit klingen, als YES und GENESIS noch Hand in Hand im Prog-Wunderwald die schönsten Blümchen suchten, nicht um sie zu pflücken und in einer Vase verdorren zu lassen, sondern sie mit ihrer Prog-Gießkanne zu hegen und zu pflegen, damit sie schöner und schöner werden.
BIG BIG TRAIN haben diese Gießkanne nun fest in der Hand und entdecken sie alle wieder – die feinen, so einzigartigen, kunterbunten, verschnörkelten Prog-Blümchen – egal welche Begrifflichkeiten man dafür auch erfand, von retro bis neo oder bums bis vallera.
Schublade auf!
Schublade zu!
Bei BIG BIG TRAIN jedenfalls funktionier solch beknackte Hör-, Denk- und Sichtweise nicht. Sie sind dafür einfach zu professionell und universell. Zwar fest verankert im Prog, aber offen für alles, was einfach gut klingt, ob wir dafür nun die Begrifflichkeit Folk oder Klassik finden. Schiet drauf – die Musik zählt. Und nicht nur die. Denn da die Musiker wie sicher auch viele ihrer Fans – einschließlich des Kritikers dieser Zeilen – großen Wert auf das Gesamtkunstwerk legen, zu dem auch die Gestaltung und das Konzept zählen, kommt dieser Live-Musik-Doppeldecker in einem dreifaltigen Digipak daher, in dessen Mitte ein 40seitiges (!!!) Booklet klebt, das doppel- und einseitig mit Konzertfotos angefüllt ist, die allesamt professionell aufgenommen und bearbeitet wurden. Natürlich hat dabei auch jeder Musiker mindestens ein eigenes ganzseitiges Foto erhalten. Ja, nicht nur die Ohren werden von „A Stone‘s Throw From The Line“ begeistert sein, auch die Augen!

Wenn wir jedenfalls der epischen, mit vielen Rockelementen garnierten Symphonie „The Underfall Yard“ 22 Minuten lang lauschen dürfen oder die erste CD mit <a href="https://www.youtube.com/watch?v=XX5X19aHZ2M" rel="nofollow">„Victorian Brickwork“</a> endet und wir gar nicht schnell genug zu unserm Player eilen können, um die zweite CD einzulegen, damit sich dieser Live-Prog-Genuss fortsetzt, wird jedem Freund guter Musik bewusst, dass BIG BIG TRAIN hier wirklich Großes leisten. Nun stellen sich auch ein paar zarte Piano- und Bläser-Jazz-Einschübe ein, während die Band in „Summoned By Bells“ textlich „die ewig gleichen Straßen entlangwandert“ und so ganz nebenbei ein paar verträumt klingende KING CRIMSON-Momente verbreitet.
<a href="https://www.youtube.com/watch?v=n_i-uqGNzgU" rel="nofollow">„Judas Unrepentant“</a> wischt diese erst einmal mit einem Schlagzeug-Solo fort, das ein progressiven Rocksong einleitet, der plötzlich mit Flöte und Orchester ruhig-warme Momente ausstrahlt, während wir uns schon auf den nächsten grandiosen Longtrack freuen dürfen, der als <a href="https://www.youtube.com/watch?v=saA2bMLvD2g" rel="nofollow">„East Coast Racer“</a> 17 Minuten zwischen unseren Lautsprecherboxen hin- und her-saust.
Und wir?
Wir sausen einfach begeistert mit!

FAZIT: Im August 2015 spielten BIG BIG TRAIN gemeinsam mit großem Orchester drei ausverkaufte Konzerte im Londoner Kings Palace. „A Stone‘s Throw From The Line“ vereint die besten Stücke der drei Konzertabende in einem hervorragend gestalteten Digipak mit eingeklebtem 40seitigen Booklet und lässt keinerlei progressiven Live-Wünsche offen, wobei natürlich der Schönklang und viele hymnische Momente überwiegen. Der Sound der Aufnahmen ist dabei genauso hervorragend wie die ausgewählten Live-Stücke, deren Laufzeit sich zwischen 5 und 22 Minuten bewegt.

Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.02.2017

Tracklist

  1. CD 1(53:45):
  2. Make Some Noise
  3. The First Rebreather
  4. The Underfall Yard
  5. Uncle Jack
  6. Victorian Brickwork
  7. CD 2 (72:13):
  8. Kingmaker
  9. Wassail
  10. Summoned By Bells
  11. Judas Unrepentant
  12. Curator Of Butterflies
  13. East Coast Racer
  14. Hedgerow

Besetzung

  • Bass

    Greg Spawton, Danny Manners

  • Gesang

    David Longdon

  • Gitarre

    Dave Gregory, Greg Spawton, Andy Poole, Rikard Sjöblom, David Longdon, Rikard Sjöblom

  • Keys

    Danny Manners, Rikard Sjöblom

  • Schlagzeug

    Nick D'Virgilio

  • Sonstiges

    David Longdon (Flöte, Percussion, Mandoline), Rachel Hall (Geigen, Cello), Dave Desmond (Posaune), Ben Godfrey (Trompeten), Nick Stones (Hörner), John Storey (Euphonium), Mike Poyser (Tuba)

Sonstiges

  • Label

    English Electric Recordings / Just For Kicks

  • Spieldauer

    125:58

  • Erscheinungsdatum

    02.12.2016

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