Was ist nur mit den britischen Ausnahme-Folk-Proggern BIG BIG TRAIN los, die innerhalb kürzester Zeit ein Studio-Album nach dem anderen raushauen, und diese nicht nur sehr liebevoll musikalisch komponieren, texten, instrumentieren und aufnehmen, sondern auch sehr hochwertig in den unterschiedlichsten Formaten gestalten und veröffentlichen?
Allesamt klingen sie gut bis sehr gut - „hochwertig“ vom Sound sowieso! BIG BIG TRAIN sind tatsächlich auf einen progressiven Zug aufgesprungen, der durch die folkige Natur saust und dabei noch immer richtig an Fahrt aufnimmt. Nach „Folklore“, dem großartigen Vorgänger, folgt nun <a href="https://www.youtube.com/watch?v=ZHqopyuKYUE" rel="nofollow">„Grimspound“</a> auf ganz ähnlichem Niveau - nur dass „Folklore“ durch seine stärkere Hinwendung zum Folk vor noch nicht einmal einem Jahr noch überraschte, so klingt „Grimspound“ eher wie die Fortsetzung, ohne mit großartig neuen Überraschungen aufzuwarten.
Diese Erkenntnis ist nicht verwunderlich, denn eigentlich war von BIG BIG TRAIN geplant, ein paar verbliebene Songs, die es nicht auf „Folklore“ geschafft hatten, als EP hinterherzuschieben, wie es GREG SPAWTON in einem Interview mit dem EMPIRE erzählt, doch dann kam alles völlig anders: „Um die EP interessanter und lohnenswerter zu machen, dachten wir daran, noch ein oder zwei weitere Songs aufzunehmen. Im Sommer letzten Jahres waren wir so produktiv, dass plötzlich weit mehr Songs fertig waren. Deshalb entschieden wir uns, die neuen Songs nicht in einer Schublade verschwinden zu lassen, sondern gleich ein weiteres neues Album folgen zu lassen.“
Zum Glück treffen BIG BIG TRAIN sehr kluge Entscheidungen, denn „Grimspound“ wurde so nicht nur ein Album mit ein paar verbliebenen Restverwerte-Songs, sondern ein echtes, ziemlich frei gestaltetes Konzept-Album, das wahre und erfundene Geschichten zwischen Himmel und Erde bzw. Ozean, also von Piloten und Kapitänen, Wissenschaftlern und Poeten, Künstlern und Träumern, erzählt.
Auch fällt sofort auf, dass „Grimspound“ musikalisch zwar sehr ruhig gehalten, aber trotzdem mächtig komplex ausgefallen ist und die Violine nicht nur ungewöhnlich oft zum Einsatz kommt, sondern solistisch einige Stücke dominiert, so als würde sie die Funktion einer zusätzlichen Singstimme übernehmen, welche dem an PETER GABRIEL erinnernden und bei einem Song wie <a href="https://www.youtube.com/watch?v=lqlOm97Yh7U" rel="nofollow">„Experimental Gentlemen“</a> fast gleichenden Gesang von DAVID LONGDON wie eine weibliche Note gegenübergestellt wird. Doch nicht nur der Gesang erinnert diesmal an GENESIS, sondern das Album in seiner Gesamtheit trägt eine noch intensivere GENESIS-Note als sein Vorgänger und ergänzt sie – gerade durch die bereits erwähnte Violine – noch mit deutlichen KANSAS- und CARAVAN-Anspielungen.
Auf „On The Racing Line“ schleichen sich sogar ein paar zurückhaltende Jazz-Klänge ein, während das wunderschöne <a href="https://www.youtube.com/watch?v=mDvZs7puSlI" rel="nofollow">„Meadowland“</a> eine Ballade allererster Güteklasse ist, die zwischen einer akustischen HACKETT-Gitarre in Kombination mit Violine und klassischem Piano sowie zart-zerbrechlichem Gesang ihre ganze traurige Schönheit entfaltet.
Im Endeffekt und aus Sicht eines FAZITs betrachtet erreicht „Grimspound“ von BIG BIG TRAIN nicht ganz die hohe Qualität des „Folklore“-Vorgängers, wartet aber mit allen Qualitäten auf, die den GENESIS- wie CARAVAN- oder KANSAS-Freund gleichermaßen beglücken werden: gefühlvoller Prog-Rock trifft auf komplexen Folk mit viel Violine und kommt in einem sehr schön gestalteten Digipak mit 24seitigem, eingeklebtem Booklet, in dem alle Texte und das Konzept hinter dem Album nachzulesen sind, daher. Der Rabe fliegt weiter – und das ist aus progmusikalischer Sicht verdammt gut so!
PS: Und wo das Album von Freunden großer Züge und guten Folk-Progrocks gekauft wird, ist ja eigentlich klar, <a href="http://www.justforkicks.de/detail.asp?sid=1077802M66N249N66N131&uid=0&id=23542&lid=1" rel="nofollow">genau hier mit einem Klick</a> und nicht bei...
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.08.2017
Greg Spawton, Danny Manners
David Longdon, Nick D‘Virgilio, Rikard Sjöblom, Rachel Hall, Andy Pool
David Longdon, Dave Gregory, Rikard Sjöblom, Andy Poole
Danny Manners, Rikard Sjöblom, David Longdon
Nick D‘Virgilio
Rachel Hall (Violine, Bratsche, Cello), David Langdon (Flöte, Banjo)
English Electric Recordings/Just For Kicks
67:53
28.04.2017