Liebe Freunde des alten, akustisch verträumten und gleichermaßen elektronisch verspielten Krautrocks, dem auch ein gewisser H. Grönemeyer verfallen ist, schreit es laut heraus, so dass man euch endlich wieder hört: „Nach NEU!, CLUSTER und HARMONIA regt sich was in Deutschland, genauer der Hansestadt Bremen. BINOCULERS sind da! Und sie spielen ganz ähnlich verträumten Krautrock wie … (siehe oben)!“
Bereits nach der ersten Minute des Duos Nadja Rüdebusch und Daniel Gädicke alias BINOCULERS, aber auch schon beim Betrachten des Digipaks, fühlen wir uns tief hineingezogen in eine Musik-Zeit, die viele nur noch aus den Erzählungen ihrer Eltern und hoffentlich auch von deren alten Platten kennen. Verträumt-verspielter Kraut, in dem die Alben „Flammende Herzen“ und „Katzenmusik“ (MICHAEL ROTHER) oder
„De Luxe“(HARMONIA) und „Zuckerzeit“, aber auch „Sowiesoso“ (CLUSTER) hießen. Eine Zeit, um die sich später bereits solche Bands wie THE NOTWIST oder das Geschwisterpaar Eva und Philip Millner alias HUNDREDS bemühten.
Aber die hatten allesamt keine so großartige Sängerin, mit dem Timbre einer SUZANNE VEGA in ihrer Stimme, wie Nadja Rüdebusch in ihren Reihen. Selbst wenn Eva Millner durchaus ähnliche Sanges-Qualitäten besitzt, diese aber noch viel zu oft verfremdet. Der weibliche und männliche Gesang jedenfalls lebt von der Klar- und Schönheit der Stimmen, die den „Sun Sound“ beschwören. <a href="https://www.youtube.com/watch?v=LzAhCQpICIk" rel="nofollow">„The Cities“</a> liebt man darum gleich wegen des Gesangs und bemerkt erst nach und nach, was auch instrumental so alles in dieser Sonnenstadt passiert.
Bei <a href="https://www.youtube.com/watch?v=_Kr4ib1bTXo" rel="nofollow">„But Oh!“</a> glaubt man dann nicht nur, dass Michael Rother mal wieder seine Gitarre ausgepackt hat, sondern ist verblüfft, wie fantastisch auch Daniel Gädicke singen kann und dabei sogar die höheren Tonlagen hervorragend beherrscht. Irgendwie würde zu diesem Song sicher auch ein ENO aus seiner „Another Green World“ lächeln.
Krautiger Dream-Pop voller Gefühl und Sinnlichkeit, in dem die Sonne zwar beschworen wird, die Texte aber manchmal eine andere, dunklere, nachdenklichere, sogar bedrückende Sprache sprechen – wie das bereits bei solchen Songs wie <a href="https://www.youtube.com/watch?v=GskKA9YpTDI" rel="nofollow">„Where The Water Is Black“</a> vom Album <a href="https://www.youtube.com/watch?v=G4XCxe3yNPw" rel="nofollow">„Adapted To Both Shade And Sun“</a> der Fall war. Bereits der Album-Opener „My / We“ offenbart uns, wie sehr wir uns durch unsere eigen verursachte Technikabhängigkeit immer mehr von unserem eigentlichen Ich, das vielmehr Natürliches als Technisches benötigt, entfernen: „Before our lives move away / Into liquid crystal displays / We slip through between two sample rates“.
Genau bei diesem Grundsatz setzt auch die Musik von BINOCULERS an, einerseits der Trennung von Akustik und Electronic, die dann nach und nach immer mehr ineinander verfließt und am Ende als Großes und Ganzes im „Sun Sound“ erstrahlt. Dazu kommt natürlich auch noch die hervorragende Aufnahmequalität, die das Album zum echten Genuss werden lässt.
FAZIT: Krautiger Dream-Pop voller Gefühl und Sinnlichkeit, in dem die Sonne beschworen wird, aber auch die dunklen Seiten unseres Daseins nicht unbeachtet bleiben. Wir dürfen wieder in den Klangwelten von HARMONIA, NEU! und CLUSTER schweben. So (ähnlich) klingt „Sun Sounds“ von BINOCULERS. Ein echter Hoffnungsschimmer am sich immer mehr verdunkelnden Musik-Horizont!
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.03.2017
Daniel Gädicke
Nadja Rüdebusch, Daniel Gädicke
Daniel Gädicke, Nadja Rüdebusch
Daniel Gädicke, Nadja Rüdebusch
Daniel Gädicke
Friedrich Paravicini (Ondes Martenot), Juan Angel Navarro (Cello), Eike Swoboda (Mellotron)
Insular/Cargo Records
40:10
10.03.2017