CAIRO scheint ein begehrenswerter Bandname zu sein, selbst für Menschen deren Musik nichts mit Ägypten, nicht einmal dem Nahen Osten insgesamt zu tun hat. Damit es zu keinen Verwechslungen kommt: Diese CAIRO haben nichts mit der gleichnamigen amerikanischen Band zu tun, die zwischen 1994 und 2001 drei Alben veröffentlichte, sich offiziell nie auflöste, aber faktisch seit dem frühen Tod ihres Bandleaders Brett Douglas Stranne Ende 2011 Geschichte ist.
Eine der wenigen Gruppen, deren progressive Prägung weniger von GENESIS, PINK FLOYD, KING CRIMSON oder YES ausgingen, sondern von Emerson, Lake & Palmer. Heißt, jene CAIRO spielten schwerblütigen, komplexen Rock, der von Tasteninstrumenten dominiert wurde. Die spielen zwar auf „Say“ auch eine große Rolle, singt Bandinitiator Rob Cottingham nicht nur – neben Rachel Hill -, er ist auch für die Keyboards und „SFX“ zuständig. Doch sind (schmetternde) Gitarren mehr als eine pure Dreingabe, oft wird ihnen der Vortritt gelassen.
Cottingham war Gründungsmitglied von TOUCHSTONE, und das merkt man seinem neuen Betätigungsfeld an. CAIRO spielen eine Spur härter und düsterer und sind näher am symphonischen Neoprog dran. Doch die Ausrichtung, melodischen Prog-Rock mit Pep und Power zu servieren, an den Mikrophonen ein Sangespaar unterschiedlichen Geschlechts, ist gleich geblieben. Wobei Rachel Hills satte Stimme bodenständiger rüberkommt als die eher elfenhaften Sangeseinlagen von Kim Seviour bei TOUCHSTONE. Das bekommt den nachdenklichen Erzählungen, die von Verlust, Betrug, individuellen und gesellschaftlichen Schattenseiten handeln, gut, ist die vorwärtstreibende Musik eher für stilgerechtes Pathos zuständig. Was insbesondere für die schneeschmelztauglichen Balladen wie „Katrina“ gilt, den Opfern des gleichnamigen Sturms gewidmet.
CAIRO bewegen sich also mit Schmackes zwischen ARENA (John Mitchell ist Co-Produzent und singt ein bisschen mit) und mittleren MARILLION oder IQ, ohne die Larmoyanz der Band um das leidgeprüfte H. Oder sagen wir’s anders: Ein LONELY ROBOT bei FROST im KINO hätte seinen Spaß daran.
FAZIT: CAIRO ist nicht gleich CAIRO und das neue CAIRO gefällt. Schmissiger melodischer Prog mit genügend Volumen, Kanten, melodischen und rhythmischen Einfällen, um nicht ruckzuck down the drain zu gehen. Genügend Drama fürs Baby ist auch dabei, ob die Erzählpassage zu Beginn unbedingt sein musste, lassen wir mal dahingestellt. Rob Cottinghams Wechsel des Arbeitsplatzes von TOUCHSTONE nach CAIRO kommt einer Beförderung gleich. Das Fachgebiet ist gleich geblieben, das Endprodukt hat eine feinere Politur erfahren.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.03.2017
Paul Stocker
Rachel Hill, Rob Cottingham, Graham Brown
James Hards
Rob Cottingham
Graham Brown
Rob Cottingham (SFX)
Heavy Right Foot Records/Just for Kicks Music
61:36
23.12.2016