War das Doppelalbum „Animale(s)“ vor vier Jahren ein sperriges, knapp 70-minütiges, qualitativ hochwertiges aber doch auch nervenzehrendes Martyrium, rauscht „Infidèle(s)“ zwar nicht minder brachial, jedoch in deutlich humanerer Zeit von etwas über einer Dreiviertelstunde durchs Ziel. Manchmal ist weniger eben doch mehr.
So viel zu den offenkundigen Veränderungen. Musikalisch haben die Franzosen ihren ureigenen Sound ohnehin längst gefunden, Entwicklung findet sich eher im Detail. Man darf sich auch weiter getrost darüber streiten, ob man das nun Black Metal nennen darf, oder doch die Post-Hardcore-Wurzeln und Sludge-Einflüsse oder sonst was betont werden müssen. Ist im Grunde auch total egal, denn am Ende zählt ohnehin nur eines: auch „Infidèle(s)“ ist wieder mal ein Hassbatzen sondergleichen und reiht sich damit quasi nahtlos in die Diskografie von CELESTE ein.
Spürbar ist die schleichende Entwicklung hin zu mehr Eigenständigkeit und mehr Wiedererkennungswert einzelner Stücke. Frühere Werke der Band begannen, endeten und verfügten kaum über markante Eckpfeiler, Widerhaken oder Orientierungspunkte – wo einzelne Stücke aufhörten und neue anfingen, ließ sich kaum ausmachen. Das Prinzip „Song“ wurde dem Prinzip „Album“ untergeordnet. Hier verlagert sich nun zunehmend die Gewichtung, wobei ansonsten alle Trademarks erhalten bleiben: gnadenlos treibende Doublebass, unermüdlich flirrende Gitarrenwände zwischen erprobter Disharmonie und neu entdeckter Harmonie („À la gloire du néant“) und natürlich die so markanten garstigen Vocals.
FAZIT: Das sechste Album von CELESTE ist auch zugleich das reifste Album der Band und bedient genau das, wofür Anhänger die Band seit jeher schätzen, ohne dabei auf die notwendige Entwicklung zu verzichten, was gerade mit Blick auf den doch sehr eng gesteckten musikalischen Bewegungsradius keine leichte Aufgabe ist. Das verspricht diesmal eine etwas längere Halbwertszeit, als sie bei den Vorgängern nach erster Euphorie letzten Endes dann doch meist vorhanden war.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.10.2017
Johan
Johan
Guillaume, Sébastien
Royer
Denovali Records
48:23
29.09.2017