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Cholo Visceral: Vol. II – Limitiertes Vinyl

Stil: Psychedelischer, avantgardistischer Jazz- und Space-Rock

Cover: Cholo Visceral: Vol. II – Limitiertes Vinyl

Bereits <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2013/Cholo-Visceral/Cholo-Visceral/" rel="nofollow">das Debüt</a> von den Peruanern CHOLO VISCERAL versetzte unseren Kollegen Schiffmann, der normalerweise mit seinen Punktwerten recht zurückhaltend agiert, in eine Zwölfpunkte-Begeisterung und animierte ihn zu Vergleichen mit FRÁGIL und TRAFFIC SOUND. Mir kommen in dieser Beziehung zusätzlich noch MAGMA oder MARS VOLTA – aber alles ohne Gesang – in den Sinn.

Doch zurück auf Anfang!
Als sich die CHOLO VISCERAL 2011 in Lima gründeten, entstanden sie mehr aus der verrückten Idee heraus, als Bandprojekt trippigen Noise-Rock mit jeder Menge Samples und Effekten auf die progressive Rockebene zu erheben und sich damit in Peru durchaus in ungewöhnlichen Musik-Gefilden zu bewegen, ganz ähnlich wie es DISCUS zur Jahrtausendwende in Indonesien taten. Ungewöhnlich mutig. Außergewöhnlich gut! So klangen sie auf ihrem 2013er Debüt „Vol. I“.
Genauso mutig, genauso gut, aber in gewisser Weise doch anders klingen CHOLO VISCERAL nun auf <a href="https://www.youtube.com/watch?v=BGe097WZz0Q" rel="nofollow">„Vol. II“</a>.
Denn unmittelbar nach der Veröffentlichung ihres ersten Albums stand die Band-Zukunft deutlich auf der Kippe, weil der Gitarrist, der Violinist und der Mann für die Sound-Effekte, den Kollege Schiffmann in seiner Review ganz besonders hervorhob, der Band den Rücken kehrten.
Es wäre zu schade gewesen, wenn dies das Aus bedeutet hätte und „Vol. II“, das zum Glück nun wilde blaue oder schwarze Umdrehungen auf dem Plattenteller vollführt, nie erschienen wäre. Ein ungewöhnliches, sehr experimentelles und recht sperriges progressives Musikkunstwerk wäre uns sonst traurigerweise vorenthalten geblieben. Ein Werk, auf dem nun der neue Gitarrist – ein unzweifelhaft riesiger KING CRIMSON-Verehrer und zugleich Band-Kopf von THE TERRORIST COLLECTIVE – und der Theremin-Experte Tello, der im Grunde nahtlos auch die Stelle seines Klangeffekt-Vorgängers ausfüllt, an deren Stelle treten.

Bereits bei dem längsten, sich über eine gesamte LP-Seite erstreckendem „Cholacos“ tauchen offensichtliche KING CRIMSON-Riffs auf und die space-psychedelische Abgefahrenheit von GONG brettert uns unüberhörbar auf der C-Seite bei dem Titel, nach dem die Band sich benannt hat, erneut mit dem Space-Raumschiff entgegen. Nur saust es in einer dermaßen schwindelig machenden Saxofon-Geschwindigkeit an uns vorbei, dass dieses Tempo in puren freien Jazz-Rhythmen explodiert. Genau diese Rhythmen eröffnen dann auch die letzte LP-Seite mit dem frei übersetzt schrecklichen Namen „10 Jahre Terror“, wohl eine Anspielung auf die Band des neuen Gitarristen. Eine wilde Achterbahnfahrt durch fette Bässe, hintergründige, ganz frühe TANGERINE DREAM-Electronics aus der „Alpha Centauri“-Zeit, Stoner-Rock-Elemente, experimentelle Jazz-Exkursionen und am Ende wieder eine offensichtliche Verbeugung vor KING CRIMSON.
Wow, so brutal kann Terror klingen, aber musikalisch zugleich so wunderschön für jeden komplexen Prog- und RIO-Fanatiker!

Die C-Seite des Doppel-Albums beginnt am ungewöhnlichsten für „Vol. II“. Denn „Jarjacha“ wartet erst mit einer akustischen Gitarre, dem Theremin und weiblichem Gesang auf, der dann von einer E-Gitarre regelrecht abgewürgt wird, bis die Akustische, das Theremin und die indianisch wirkende Sängerin wieder die Oberhand gewinnen. Die elfengleiche, von uns sehr hoch geschätzte Musikerin und Sami-Nomadin ELIN KAVEN kommt einem dabei in den Sinn.

Was bisher verschwiegen wurde, ist die Tatsache, dass es dieses doch ungewöhnlich komplexe Doppel-Album wieder nur in strenger Limitierung auf 200 schwarzen und 300 blauen Vinyl-Scheiben (mal 2, immerhin ist es ja eine Doppel-LP) zu erstehen gibt und es bei dem sich sonst besonders den krautrockigen und elektronischen Klängen verschriebenen deutschen Ausnahme-Label mit großer Liebe zum Detail – TONZONEN RECORDS – erschienen ist.
Das heißt, es gibt wieder neben dem 180g-Vinyl auch ein paar richtig schöne zusätzliche Beigaben für alle musikalischen Jäger und Sammler unter uns, denen Lima in Peru nicht nur als Tourismus-Hauptstadt, sondern dank CHOLO VISCERAL nunmehr auch als progressiv-instrumentale, experimentelle Musik-Hochburg gilt.

FAZIT: CHOLO VISCERAL kommen aus Peru und spielen eine wilde, progressiv rockende, psychedelischen Space verbreitende und sich sogar vor frei jazzenden Rhythmen nicht scheuende Musik-Mixtur, bei denen selbst MAGMA und MARS VOLTA, wenn sie ohne Sänger antreten würde, kalte RIO-Plattfüße bekämen. Eins der ungewöhnlichsten Instrumental-Alben, mit denen man das neue Jahr einleiten kann, selbst wenn es so einen schlichten Titel wie „Vol. II“ trägt!

PS: Jeder neugierig gewordene Musikliebhaber sollte sich jetzt <a href="http://www.tonzonen.de/epages/63707333.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/63707333/Products/TZ021" rel="nofollow">umgehend in Richtung TONZONEN RECORDS begeben</a> und – so lange er noch die Möglichkeit dazu hat – sich für die auf 200 Stück limitierte schwarze oder doch auf die 300 Stück limitierte blaue Doppel-LP-Variante entscheiden.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.01.2017

Tracklist

  1. Seite A (21:00):
  2. Explosión Del Misti (12:10)
  3. Muca (8:50)
  4. Seite B (16:21):
  5. Cholacos (16:21)
  6. Seite C (17:24):
  7. Jarjacha (6:08)
  8. Cholo Visceral (11:16)
  9. Seite D (16:02):
  10. 10 Anos De Terror (11:15)
  11. El Paso Entre Las Lomas (4:47)

Besetzung

  • Bass

    Arturo Quispe, Israel Tenor

  • Gitarre

    Arturo Quispe, Manuel Villavicencio, Israel Tenor

  • Schlagzeug

    Joao Orosco, Silvana Tello

  • Sonstiges

    Silvana Tello (Theremin), Max Vega (Saxofon)

Sonstiges

  • Label

    Tonzonen Records

  • Spieldauer

    70:47

  • Erscheinungsdatum

    18.12.2016

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