Eine Zeitlang haftete Chris Rea das Etikett eines ‚Schmusebarden‘ an, weil er bedachtsame Songs voller schwelgerischer Melodien vortrug. Doch eigentlich passte er schon damals nicht ins Raster, war trotz seines Erfolges diversen Angehörigen der Musikindustrie ein Dorn in Auge und Ohr. Man konnte ihn nicht als singenden Schönling vermarkten, seine Stimme war zu eigen und sonor – eine liebe Freundin verglich seinen Gesang damals mit dem John Cales. Die Musik weitgehend außer Acht gelassen, ist das gar nicht so abwegig – und seine Musik wirkte immer ein wenig wie aus der Zeit gefallen. Egal, ob man sich am vermeintlichen Ende einer Beziehung zum Narren machte („Fool (If You Think It’s Over)“), es mit „Josefine“ „On The Beach“ ging und man glücklicherweise skandieren konnte: „I Can Hear Your Heartbeat“. Reas Songs waren zwar smooth und auch ein bisschen heimelig, doch wohnte ihnen immer ein Hauch zu viel Traurigkeit und Düsternis inne, um als Einlassmelodie zum Schaumbad in der Wellness-Oase zu taugen.
Später wandte sich Chris Rea immer wieder und weiter seiner Liebe zum Blues zu, freilich ohne sein Gespür für ergreifende und herzerwärmende Melodien zu verlieren. Er reizt die Grenzen seiner Möglichkeiten nicht aus, bleibt bei aller Intensität immer laid back, eher nachdenklich als aufbrausend und fordernd. Seine schwere Krebserkrankung um die Jahrtausendwende und ihre Überwindung führten nicht zu einem neu erschaffenen Musiker, sondern einem, der sich noch tiefer verankert in dem, was er kann und schätzt. Es wird kolportiert, dass eine junge Mitpatientin ihm gegenüber äußerte: „Wir tanzen jetzt beide auf einer steinigen Straße“. Egal wie real dieser Ausspruch ist, viel besser kann man Chris Rea und seine Musik nicht beschreiben. Wobei jedem Tanz ein „Slow“ vorangeschrieben steht.
„Road Songs For Lovers“ ist Chris Reas erstes reguläres Studioalbum seit 2011, und es geht den Weg des soulgetränkten Blues (exemplarisch das mild funkige „Moving On“), mit enormen Popappeal, gekonnt und konsequent weiter. Reas Stimme ist in den letzten Jahren ein wenig kratziger und brüchiger geworden, was wie geschneidert mit der Musik und den nachdenklichen Texten harmoniert. Lässig, fragil, aber auch mit großer emotionaler Kraft, die angedeuteter Resignation Paroli bietet, gehen Rea und seine Begleiter zu Werke. Chris Rea hat seinen Platz zwischen Van Morrison und Leonard Cohen eingenommen, wo er verdammt gut hinpasst.
Die Lieder sind geschmeidig, von ruhiger Eleganz und selbst dann nicht nervend, wenn sie etwas schlicht und gesetzt um die Ecke kommen, oder die Sounds arg nach Plastik klingen (der Anfang von „Money“). Es gibt Anflüge von Country, Chanson und Zydeco, insbesondere wenn Lap Steel oder Akkordeon ertönen. Und dann gibt es noch Songs wie „Last Train“, der sich erst schleichend, dann mit lodernder Kraft zu einem DER Songs dieses Jahres mausert. Leider endet er mit einem Fade-Out statt in einem furiosen Finale. Doch bis dahin: Ganz große Kunst, so präsentiert als wäre es ein entspanntes Flanieren im Spätherbst. Beherrscht Chris Rea wie kaum ein Zweiter. Das traurige wie obercoole „Nothing Left Behind“ ist von ganz anderem Kaliber, aber ähnlicher Wirkung. Desgleichen „Beautiful“, der jazzige, mitternachtsgetränkte Schlussakt für einen Crooner der anderen Art.
FAZIT: Es steht zu hoffen, dass Chris Rea weitere Alben folgen lässt, doch gilt bereits jetzt: „Road Songs For Lovers“ ist ein berührendes, großartiges Alterswerk. Das „Alters-„ kann man auch getrost weglassen.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.09.2017
Chris Rea
Chris Rea
Chris Rea
Apollon Records
58:25
29.09.2017