Es ist ein weiteres spannendes, kleines Label am elektronischen Musik-Himmel zu vermelden, das sich besonders den krautrockigen Electronics (Tara, eine neue, aber wirklich bunt gemischte Schublade!) verschrieben hat und im beschaulichen Hunsrück beheimatet ist. Wie passend ist da schon allein der bizarre Name Bi-Za – und wie schön ist es doch, dass uns dieser elektronische Hunsrücker Mutmacher mit seinem ersten Album gleich ein für alle KLAUS SCHULZE-Fans garantiert unverzichtbares Album als ihr Label-Debüt präsentiert, das gleich ein dickes Doppelalbum im dicken Digipak geworden ist und richtig fette, oft recht getragen-dunkle Klanglandschaften in unsere Ohren pflanzt, damit unser Geist sich dazu seine passenden Bilder basteln kann. Schon ganz schön Bi-Za ist das!
Doch nun zur Erstentscheidung von Bi-Za, für das sie auch gleich einen sehr passenden Genre-Begriff prägen: „Wir nennen es Dark Cinematic Music für den Anfang.“ und fügen gleich noch hinzu, dass die „fremdartige Musik noch einen Genrenamen innerhalb der elektronischen Musik“ finden muss (Okay, mein Vorschlag ist jedenfalls in der Einleitung zu finden.)
Eine sehr gute Entscheidung übrigens: CHRISTIAN FIESEL mit <a href="https://www.youtube.com/watch?v=smWZ2f73gsk" rel="nofollow">„Hagen‘s Delight“</a>!
„Dunkle (instrumentale) Filmmusik“ trifft es auf den Musik-Kopf, denn was uns hier in 150 Minuten an experimentell-elektronisch-synthetisch-bedrohlichen Sounds geboten wird, die uns in ihrer Abmischung auch mit einer wahren Stereo-Orgie beglücken, lässt – zumindest bei einem denkenden, sich auf die Musik konzentrierenden Hörer – wahre Filme im Kopf entstehen. Allerdings welche, die auch viel Gruseliges in sich tragen und nicht den Li-La-Laune-Musik-Bär aus dem Mainstream-Käfig holen, damit er vor uns sein plattes Radio-Tänzchen aufführt. Nicht umsonst trägt darum wohl auch das zweitlängste, 22minutige Stück auf „Hagen‘s Delight“ den metaphorischen Titel „Wisdom“ (Weisheit) und klingt wie das psychedelisches Experiment, breite elektronische Klangflächen mit wilden Rhythmusstrukturen, die immer wieder überraschend auftauchen, zu vereinen.
Bi-Za selber schreibt zur Entscheidung für dieses CHRISTIAN FIESEL-Album im Sinne der Ami-“Mondbesteigung“: „Ein gewagter Schritt für ein kleines Label und ein großer Schritt für einen ‚neuen‘ Künstler.“
Auch wenn hier nicht der Mond erobert wird, die Herzen vieler Electronics-Freunde aber garantiert, denn bei Fiesel trifft Symphonisches auf Dunkles und Filmisches auf Mellotronisches sowie Gitarrenklang auf sanft Melodisches. Auch dazu findet Bi-Za eine gelungene Beschreibung: „Leise gehört vergleichbar mit einem Spaziergang durch die Nacht, nur geleitet vom fernen Flackern einer Taschenlampe. Laut gehört fließt brennendes Magma bisweilen durch die Boxen und fordert den Zuhörer, gegen seine Erwartungen zu hören.“
„Bell‘s Call“ beginnt dementsprechend gleich mit bedrohlichen Keyboardsounds, so als würde in der Ferne ein Gewitter aufziehen. Doch immer wieder durchdringen die finsteren Wolken klar glänzende Sonnenstrahlen in Form einer E-Gitarre, die deutlich Floydianisches in sich trägt.
Es sind besonders die dunklen elektronischen Klangwelten, über die wir mithilfe von CHRISTIAN FIESEL fliegen oder die wir mit unseren Ohren durchwandern. Genau die Welten, welche ein KLAUS SCHULZE, die frühen TANGERINE DREAM oder ASHRA (TEMPEL) schon seit über 40 Jahren mithilfe diverser Tasteninstrumente und spannenden elektronischen Steckverbindungen in eine Welt pflanzen, die von Hektik und billigem Mainstream geprägt wird, ohne dabei aufzugeben und stattdessen unermüdlich für ihre Hörer eine Nische aus schwebenden Electronic-Sounds schaffen, die immer größer und breiter werden. Größer und breiter werden müssen, um uns wieder zurückzuholen in die weiten Klangräume, statt verrückt zu werden vor dem wild-stroboskopischem Klanggeflacker zwangsfinanzierter Radio-Welten.
Also fahren wir auf „Rusty Nail“ sogar mit einer verhalten Dampf aufnehmenden Dampflock durch diese Nische, während unter uns die Gleise bedächtig rattern, um dann mit elektronischem Chorgesang „Say Goodbye To Yesterday“ zu sagen.
Mit einem getragenen, 25 Minuten langen Longtrack, der den puren TANGERINE DREAM-“Atem“ in sich trägt, endet auf beeindruckende Weise die erste CD von CHRISTIAN FIESEL und macht sofort gespannt auf CD 2 von „Hagen‘s Delight“.
Diese enthält dann nicht nur die musikalische „Weisheit“, sondern lebt gar von anderen Intentionen, indem sie etwas rhythmischer, verspielter daherkommt und Türen zum Dark Ambient genauso öffnet wie zum Krautrock und der Berliner Schule.
Aber natürlich können wir auch hier noch einmal die Beschreibung seitens des Labels bemühen, da auch diese wieder sehr passend charakterisieren: „Nicht nur tiefes Atmen, alles kocht über, Sequenzer, laute Gitarren und immer wieder Rhythmus.“
Übrigens arbeitete CHRISTIAN FIESEL 2016 mit dem amerikanischen Sounddesigner JACK HERTZ zusammen und veröffentlichte im Eilzugtempo gemeinsam mit ihm die beiden Alben „The End Of Steam Age“ und „Fast Rails“, die ein echter Szene-Erfolg wurden. Die Einflüsse dieser Zusammenarbeit sind auch auf „Hagen‘s Delight“ unüberhörbar!
FAZIT: Der Musik-Elektroniker CHRISTIAN FIESEL tummelt sich geschickt und mit großartiger Musik in der deutschen elektronischen Musik-Szene herum und verfolgt die Absicht dunkel-cinematische wie auch kalt-atmosphärische Klanglandschaften entstehen zu lassen. Das ist ihm auf „Hagen‘s Delight“ bestens gelungen!
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.03.2017
Christian Fiesel
Christian Fiesel
Christian Fiesel
BI-ZA-Records
149:28
06.01.2017