Fangen wir nun mit dem gewittrigen Trommelwirbel, der das Album „On Track“ auf „Nanabohzo And The Rainbow“ eröffnet, oder mit dem Namen-Wortspiel aus dem vielleicht ein wenig verwirrenden, gar falsche Erwartungen weckenden, DAMANEK an?
Gut, erst zur Band, dann zur Musik!
Hinter DAMANEK verbergen sich drei echte Prog-Größen:
DA(n)MAN(ning)(Mar)EK – na, wer kommt drauf?
Gut, der Mittelpunkt des Namens ist schnell gelöst:
*GUY MANNING von UNITED PROGRESSIVE FRATERNITY, THE TANGENT, PRALLEL OR 90 DEGREES bzw. solo als MANNING – singender Keyboarder und Multiinstrumentalist.
*DAN MASH von UNITED PROGRESSIVE FRATERNITY und MASCHINE – begnadeter Bassist.
*MAREK ARNOLD von UNITED PROGRESSIVE FRATERNITY, SEVEN STEPS TO THE GREEN DOOR, TOXIC SMILE, CYRIL und (ehemals) STERN-COMBO MEISSEN – Keyboarder, Klarinettist und Saxofonist.
Doch eigentlich ist dieser DAMANEK-Begriff nicht vollständig und müsste unbedingt erweitert werden, denn es gibt noch eine viertes festes Mitglied bei DAMANEK, das einfach das Pech hatte, etwas zu spät zur Band zu stoßen und so bei der Namensfindung nicht berücksichtigt werden zu können:
*SEAN TIMMS von UNITED PROGRESSIVE FRATERNITY, UNITOPIA und SOUTHERN EMPIRE – Keyboarder und Banjo-Spieler.
Im Grunde also ist diese progressive Musikervereinigung – nennen wir sie doch einfach mal UPF-Nebenprojekt – eine DAMANEKSE, welche außerdem noch jede Menge musikalischen Beistand von großartigen Gast-Musikern, die bei THE TANGENT, KIAMA und MASCHINE (Luke Machin), SEVEN STEPS TO THE GREEN DOOR (Ulf Reinhardt), SOUTHERN EMPIRE (Brody Thomas Green), SOUL SECRET (Antonio Vittozzi), MOLLY BLOOM (Stephen Dundon), UPF (Tim Irrgang) zu Hause sind sowie PHIDEAUX und NICK MAGNUS plus mehrere Background-Sänger und ein Bläser-Ensemble.
Eigentlich müsste es mit dem Teufel zugehen, wenn DAMANEK nicht eine weitere Prog-Super-Band wären, die gezielt ihr Können für die nächste, vielleicht UPF-ähnliche Scheibe in Anwendung bringen, die „On Track“ heißt!
Doch es geht mit dem Teufel zu!
Und alle, die sich als ewige, wenig tolerante Prog-Puristen verschrieben haben und verpflichtet fühlen, jede noch so kleine Note nur unter Prog-Aspekt zu bewerten, werden Augen und Ohren machen, denn auf „On Track“ gibt es zwar Art- und etwas Prog-Rock zu hören, der am deutlichsten Bezüge zu den ruhigeren UNITED PROGRESSIVE FRATERNITY-Titeln hat, aber das ist eher eine Seltenheit, selbst wenn das Album, wie eingangs erwähnt, mit einem Trommelgewitter beginnt, so als würde es uns ankündigen, dass uns danach eine besondere Attraktion erwartet. Fast beruhigend wirkt da noch, dass der Album-Opener „Nanabohzo And The Rainbow“ neoprogressiv und druckvoll beginnt, dann aber ein wilder Ritt durch sehr unterschiedliche Musik-Richtungen erfolgt, bei dem in ungewohnter Weise Saxofon und Klarinette, großartig von MAREK ARNOLD gespielt, sehr viele Freiräume eröffnet werden.
Irgendwo hatte ich abwertend zu „On Track“ gelesen, das wäre „Lounge Prog“. Das ist doch ein schöner Begriff, ja, eigentlich ein neuer Stil! Nur ist das nichts Negatives, sondern echt Fortschrittliches, also Progressives. Und hört man unter diesem Aspekt den viertelstündigen letzten Album-Titel „Dark Sun“, dann ist es zugleich hochgradig faszinierend! Auch weil textlich sehr kritisch die Zerstörung der Umwelt auf‘s Korn genommen wird, statt in schwummrige Prog-Mystik abzudriften: „Dark Sun... hanging in a dark sky... / Over dark streets, where the transports rumbles by.“
Auf diese Weise folgt „On Track“ einem Konzept, das fast beschwörend auf „Nanabohzo And The Rainbow“ mit der indianischen Natur-Mythologie beginnt, welche unsere alle Natur-Ressourcen zerstörende Moderne am Ende in eine dunkle Sonne verwandelt.
Demgegenüber stehen sehr ruhige, manchmal fast poppige Balladen, welche aber nie auf ein progressives oder jazziges Zwischenspiel verzichten und die, wie bei <a href="https://www.youtube.com/watch?v=CRb-k5GbA-c" rel="nofollow">„Long Time, Shadow Falls“</a>, sehr traurig von der Vernichtung der Tier- oder bei <a href="https://www.youtube.com/watch?v=4r84uBiSV_c" rel="nofollow">„The Cosmic Score“</a> der Pflanzen-Welt berichten.
„Believer – Redeemer“ überrascht mit soulig-funkigen Rhythmen und jeder Menge Bläser zwischen CHICAGO und SANTANA, während die Frage aufgeworfen wird, ob wir tatsächlich so sehr aus der Zeit gefallen sind, dass wir gar nicht mehr mitbekommen, was gerade um uns herum alles abgeht, wozu mit „Oil Over Arabia“ - diesmal statt Trompete und Posaune mit reichhaltigen Saxofon- und Klarinetten- sowie Bar-Jazz-Klängen aufgepeppt - und dem Hinweis versehen: „The coastline lies dying, the ecosystem near gone. Lost in a final act of War.“ - das beste Beispiel für unser verhängnisvolles Desinteresse geliefert wird.
Absoluter musikalischer Ausbrecher ist die folgende „Big Parade“, die so mutig ist, im Dixieland- und 30er-Jahre-Style mit einem Marschrhythmus, der übrigens unglaublich an Udo Lindenbergs „Alles klar auf der Andrea Doria“ erinnert, darauf zu verweisen, dass in den Kriegen, den Armeen und dem Gotteswahn das größte Übel dieser eigentlich so friedlichen Welt liegt, wenn da nur nicht die Menschen wären: „My God‘s better than your God too, / he wrote it down and then so did you.“
Mit der Piano-Ballade „Madison Blue“ bewegen wir uns dann auf das progressive DAMANEK-Highlight „Dark Sun“ zu, das zwischen JETHRO TULL, PINK FLOYD und WEATHER REPORT-Jazz-Rock sowie Worldmusic plus Canterbury so etwa alles zu bieten hat.
Für das stilistisch ungeheuer vielfältige „On Track“ von der progressiven Super-Vereinigung DAMANEK sollte man sich viel Zeit nehmen. Für die Musik, die Grenzen überschreitet, sicher auch Grenzen, die dem einen oder anderen in seinem selbst errichteten Musik-Stil-Käfig-Gefangenem absolut nicht schmecken wird. Und für die Texte, in denen die Angst um alles Natürliche in unserer so schnelllebigen, gerade auf die Natur keinerlei Rücksicht nehmenden Zeit das große Thema ist. Hier erleben wir nicht den erhobenen Zeigefinger, sondern begeben uns weit zurück in die indianische Zeit, um am Ende (des Albums) mit einem traurigen Blick Richtung Himmel – wie der einsame Mann im CD-Einleger – erkennen zu müssen, dass die Dunkelheit nichts mehr mit einem Tag-und-Nacht-Rhythmus, sondern der dunklen Sonne zu tun hat.
Am Ende noch etwas für Insider.
In Rücksprache mit dem „EK“ in DAMANEK, MarEK Arnold, der derzeit <a href="http://musikreviews.de/news/Unsere-neue-Rubrik-MAREK-ARNOLD-packt-aus/4038/" rel="nofollow">in einer speziellen Rubrik für unsere Seite</a> über seine Zeit mit allen Bands, in denen er aktiv ist oder war – natürlich auch über DAMANEK - sowie seine Gastbeiträge bei andern Musikern und die unterschiedlichsten Projekte, an denen er beteiligt ist, schreibt, erfuhren wir von ihm, dass Dan Mash und er im Vorfeld des Albums bei Guy Manning in Leeds drei Tage lang Song-Ideen sichteten und mitarrangierten. Auch dass es Demos mit mehreren Gastsängern gab, die nicht auf „On Track“ landeten und man sich Gedanken darüber machte, gleich ein Doppel-Album herauszubringen. Doch keine Angst, denn DAMANEK 2 ist bereits in Arbeit und dann dürfen wir uns natürlich überraschen lassen, ob die Songs...
FAZIT: Mit „On Track“ von DAMANEK mit beteiligten Musikern, die zum „Who Is Who“ der aktuellen Prog-Szene gehören, mischt ein stilistisch überraschend vielfältiges, so garantiert in der Szene nicht erwartetes, progressives, naturverliebtes Weltmusik-Album mit sehr viel Blasinstrumenten – vorrangig Saxofon und Klarinette – die Prog-Nische gehörig auf und setzt sich keine Grenzen. Über die dürfen gerne Andere diskutieren.
PS. Nach wie vor ist es unter unserer Seite noch längere Zeit möglich, Fragen an Marek Arnold zu seinen Bands oder/und Projekten zu stellen, die dann, wenn sie wirklich gut sind, in der regelmäßig erscheinenden Fortsetzungsserie direkt durch ihn beantwortet werden. <a href="http://www.musikreviews.de/artikel/MAREK-ARNOLD-SEVEN-STEPS-TO-THE-GREEN-DOOR-TOXIC-SMILE-uvm-packt-aus-119/" rel="nofollow">In diesem Falle gewinnt der Frager auch einen ganz persönlichen, garantiert signierten und mit speziellem Dank versehenen Preis von dem Musiker</a>, der besonders durch sein Saxofon- und Klarinetten-Spiel DAMANEK eine ganz spezielle Note verleiht.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.10.2017
Dan Mash
Guy Manning, Phideaux, DavidB, Julie King, Kevin Currie
Antonio Vittozzi, Luke Machin, Guy Manning, Sean Timms, Chris Catling
Sean Timms, Marek Arnold, Guy Manning, Nick Magnus
Brody Thomas Green, Ulf Reinhardt, Tim Irrgang, Guy Manning
Marek Arnold (Saxofone, Klarinetten), Stephen Dundon (Flöte), The Santucci Horns
Giant Electric Pea
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16.06.2017