Dass David Crisby kaum zwölf Monate nach einem Studioalbum ein weiteres folgen lässt, ist sehr ungewöhnlich für den legendären Folk-Barden, doch mit "Sky Trails", schließt sich beileibe kein Schnellschuss an das eher minimalistische "Lighthouse" an. Es ist, als arbeite er fieberhaft darauf hin, alles an kreativer Energie aufzubrauchen, bevor seine biologische Uhr ausgetickt hat.
Andererseits merkt man seiner aktuellen Musik keine Altersmüdigkeit an. Eher noch zeigt sich Crosby kämpferisch, obwohl er in sich zu ruhen scheint, wie man den selbstgenügsamen Arrangements der neuen Stücke anmerkt. In dieser Hinsicht erscheint es unerheblich, dass der Mann, der als einer der letzten wirklichen Zeitzeugen klassische Hippie-Ideale hochhält, 2017 mit einer mehr oder weniger vollständigen Band im Studio vorstellig wurde. Nach zeitweiliger Hilfe seitens des nicht einmal halb so alten Michael League hat sich der Künstler von seinem Sohn James Raymond (renommierter Filmkomponist, u.a. "In jedem steckt ein Held") produktionstechnisch unter die Arme greifen lassen, während u.a. die kanadische Liedermacherin Michelle Willis (Keyboard), Jazz-Schlagzeuger Steve DiStanislao und Davids langjähriger Gitarren-Partner Jeff Pevar (auch CPR) mitwirkten.
"Sky Trails" wirkt in seiner Gesamtheit irgendwie verregnet und aus der Zeit gefallen, wie man es Crosby aber schon seit bestimmt 30 Jahren attestieren kann. Die Bandbreite der Klangfarben spannt sich von zartem Jazz-"Rock" bis zu urtümlicher Folklore, wofür man allen Tracks voran das balladenhafte Titelstück und das eindringliche 'Here It's Almost Sunset' heranziehen kann. Joni Mitchells 'Amelia' erweist sich hingegen tatsächlich als eher vernachlässigbarer Track. Die Scheibe ist stilistisch recht über- aber nicht direkt durchschaubar und schon gar nicht berechnend. Das Klischee vom verschrobenen Singer-Songwriter, für den der Fortschritt nach den 1960ern aufgehört hat, greift bei Crosby spätestens jetzt nur noch bedingt, weil er ebendiesen Fortschrift wenn nicht musikalisch, so doch als Mensch und Überlebender mitvollzogen hat.
Mit einem Dreiviertel-Jahrhundert auf dem Buckel ist er scheinbar furchtlos und macht Lässigkeit zu einem Programm, das man sich zum Vorbild nehmen möchte.
FAZIT: In seiner beinahe 50-jährigen Solokarriere, falls man in Anbetracht der Unregelmäßigkeit, mit der Crosby Platten veröffentlich, überhaupt von einer konstanten Laufbahn sprechen kann, ist "Sky Trails" vielleicht der rundeste Longplayer der Ikone überhaupt. Ein bisschen Soul kommt zum verhalten rockigen Folk dazu, ansonsten herrscht ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Innerlichtkeit und einer politischen Motivation, die Crosby kritisch wie selten zuvor zeigt.In dieser Form darf der Mann gerne noch 25 Jahre weitermachen. <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/ee8c18857f4142e394964eff08448465" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.10.2017
BMG
50:18
29.09.2017