„Kann man im 21. Jahrhundert modernen Progressive Rock spielen, ohne wie Dream Theater zu klingen?“, fragt der Promotext neunmalklug. Erstens: Ja, kann man, sonst gäbe es diese Seite wahrscheinlich gar nicht. Zweitens: Ja, auch EAT GHOSTS können.
Wem der Name kein Begriff ist, der kann vielleicht mit <a href="http://musikreviews.de/interviews/13-12-2012/Minerva/" target="_blank">MINERVA</a> mehr anfangen, unter dem der Rock-Vierer mit Saxophon schon ein <a href="http://musikreviews.de/reviews/2013/Minerva/Germinal/" target="_blank">Konzeptalbum</a> aufgenommen hat. Statt antik-diviner Verkopftheit jetzt also Hausgeisterkost: Um ein Konzeptalbum handelt es sich bei „AN TI E GO“ ausdrücklich nicht, jeder Song nimmt eine gleichwertige Stellung im 40-minütigen Sechserpack ein.
Mit ihrer Mischung aus Psychedelic, Stoner (man höre auf den sägenden/blubbernden Bass), Prog und Jazz erinnert die Band viel eher an KING CRIMSON, MOTORPSYCHO oder TRAVIS LARSON als an Dream Theater.
Ein echter Genuss ist es, zu verfolgen, wie sich Gitarre und Saxophon den Melodie-Ball zuwerfen, wie sich die Songs impulsiv entwickeln, wie an Farben nicht gespart wird, um Kontraste, blaue Tiefen, leuchtende Oberflächen und verrückte aber keineswegs unsinnige Formen zu malen. Schon der Opener „Talk To The Sea“ macht sich hierin einen Namen. Zusammengehalten und vorwärts geschoben werden die bisweilen etwas sehr losen Fäden oft von Sänger Enrico. Seine Stimme ist zwar mitnichten die (ausdrucks-) stärkste, kommt aber häufig mit unerwarteten, spannenden und zielgerichteten Melodien um die Ecke, lässt sich regelmäßig mit TOOL in Verbindung bringen. Apropos: Rein äußerlich haben die beiden stärksten Stücke auf „AN TI E GO“, der Titeltrack und „Rattle, Shatter, Creak“ zwar wenig mit der Band von unser aller <a href="https://youtu.be/fn0QgHwYobE?t=66" target="_blank">Lieblingswinzer</a> zu tun. Eine besondere Qualität TOOLs, nämlich (nicht zwingend zeitlich) ausufernde Songs zu schreiben, denen dennoch niemals die Spannung abhanden kommt, die eine Atmosphäre ununterbrochen aufrecht erhalten, ohne sich nur im Kreis zu drehen, findet sich aber auch hier vertreten. Zumindest im Albumformat überzeugen diese von Anfang bis zum Ende gedachten Soundszenarien mehr als die eher locker zusammengewürfelten: Während sich das schrullige Kabinettstück <a href="https://youtu.be/oaVKZcGmggs" target="_blank">"Fancy Free"</a> gerade noch zu halten weiß, driftet „Echoecho“ unaufhaltsam in schillernde instrumentale Untiefen und muss zuletzt geradezu gewaltsam wieder an Land gezogen werden – keineswegs unschön, aber letztlich etwas unbefriedigend.
Aber um nicht zu sehr ins Nörgeln zu verfallen, stelle ich mir einfach schnell eine Welt vor, in der jede Band wie DREAM THEATER klingt und schon –
FAZIT: – kann ich „AN TI E GO“ nur empfehlen: Als ein farbenfrohes, intensives, mit Kopf und Körper genießbares Progressive Rock-Album, das stellenweise etwas fokussierter hätte ausfallen können.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 15.12.2017
Enrico Semler
Enrico Semler
Jan Waterstradt
Martin Mann
Benjamin Ihnow - Saxophone
Noisolution
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23.09.2017