Auf seinem zweiten Album (Debüt: "Shadows & Diamonds") erweitert Elijah Blake seine stilistische Palette auf naheliegende Weise. Sein vormals zeitgenössischer R'n'B wird um Anleihen bei "schwarzem" Gospel und Soul erweitert, wie es in den 1990ern kommerziell einträglich wurde, was einer gewissen Ironie nicht entbehrt, wenn man bedenkt, dass der Künstler zuvor beim Branchenriesen Def Jam Recordings unter Vertrag stand.
Mit "Audiology" gibt er nun also seinen Independent-Einstand, wiewohl ihm die Verbreitung seiner Musik auf eigene Faust nicht fremd ist. Blake komponierte und sang mehrere Jahre lang für sich selbst und ein kleines Publikum - nicht zu vergessen Schwergewichte wie Usher oder Chris Brown, ehe er mit dem Hip-Hop-getränkten 'I Just Wanna', das er gemeinsam mit seinem Bruder im Geiste Dej Loaf in Szene setzte, einen veritablen Hit landete. In dessen Fahrwasser bewegen sich nun gleichsam typische Genre-Stücke wie die erste Single 'Technicolor' und 'Black and Blue', das ebenso wie 'Stingy' schon länger bekannt ist.
Die verhältnismäßige Experimentierfreude, die Blakes zwei EPs, "Drift" und "Blueberry Vapors" auszeichnete, geht "Audiology" trotz erweiterer Soundpalette ab, doch dafür wirken die Kompositionen in sich runder, ohne dass man sie willkürlich untereinander auswechseln könnte. Zudem lässt Blake tief blicken, insbesondere mit 'Momma Knows', in dem er das Trauma verarbeitet, als Kind missbraucht worden zu sein. Das emotionale 'Incapable' ein Höhepunkt und in Kollaboration mit Keyshia Cole für deren Katalog entstanden, erhält hiermit sozusagen einen Kompagnon.
Am besten gefällt Blakes Musik dann, wenn sie unverhohlen solchen 80er-Ikonen wie Michael Jackson oder Prince huldigt, was auch hinsichtlich der teils aufwändigen Arrangements gesagt werden darf. Im Grunde begeht der Schöpfer also weiterhin einen gekonnten Spagat zwischen Massengeschmack und ambitioniertem Pop-Songwriting, eindeutig afroamerikanischer Provenienz.
FAZIT: "Audiology" ist latent tanzbar und dennoch kein einseitiges Contemporary-R-'n'-B-Album, sondern zeigt Elijah Blake gleichermaßen intim (daher die Nacktheit auf dem Cover) wie dem Gros seiner Kolleginnen und Kollegen enthoben - dies weniger musikalisch als mit seinen Texten, die neben Persönlichem kritische Töne preisgeben, statt redundantes "Mann trifft Frau"-Zeug zu verzapfen.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.10.2017
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13.10.2017