Immer wenn uns alle guten Geister verlassen, dann ist im besten Falle eine persönliche, im schlimmsten eine gesellschaftliche Katastrophe vorprogrammiert.
Wie aber hört es sich an, wenn Musiker aus Österreich sich gleich in ihrem Bandnamen von allen guten Geistern verabschieden?
Ziemlich poppig. Doch trotzdem gut!
Auf „Neon Nature“ von FAREWELL DEAR GHOST, das nach ihrem 2013er Album „We Colour The Night“, welches als „Pop in seiner elektronisch verspielten Variante“ bezeichnet wurde, erscheint, erfüllt das österreichische Elektro-Pop-Quartett genau die Erwartungen, die es mit ihrem Debüt weckte, und setzt den elektronisch-verspielten <a href="https://www.youtube.com/watch?v=0nP6ku-ZZcE" rel="nofollow">„Moonglass“</a>-Pop mit eingängigen Melodien und mitunter melodramatisch klingenden, atmosphärischen Songs fort. Vieles erinnert dabei an die 80er-Jahre, in denen Bands wie A-HA, die PET SHOP BOYS oder DURAN DURAN zu musikalisch-medialen Höhenflügen ansetzten und bewiesen, dass Pop-Mainstream und Anspruch durchaus miteinander vereinbar sind, ohne dabei Musik-Plattitüden auszurotzen, wie es beispielsweise alle musikalischen Kotzbrocken, über oder mit denen ein Dieter Bohlen seine Hand im Spiel hatte, der Fall war. „Soundkartell“ sprechen bei „Neon Nature“ von einem „sphärischen, wohligen, zeitlosen und dennoch eingängigen“ Album – und wenn man das Attribut „zeitlos“ streicht, dann trifft diese Beschreibung auf „Neon Nature“ hundertprozentig zu – und aus den <a href="https://www.youtube.com/watch?v=3r46Sz7BGWM" rel="nofollow">„We Were Wild Once“</a>-Jungs ist eine ruhigere, kritischere und nachdenklichere, im positiven Sinne auch reifere, ohne jegliche HuhuHuHus-Band geworden.
Noch dazu kommt, dass hier nicht nur die Ohren, sondern auch die Augen verwöhnt werden, wenn man das sehr ansprechend gestaltete Digipak samt dem 28seitigen Booklet mit allen Texten zur Hand nimmt, und darin die sehr schönen Naturfotos betrachtet und schnell erkennt, was sich hinter der Neon-Natur verbirgt, da alle Fotos in einem subtropischen Gewächshaus entstanden, in dem logischerweise künstliches Licht die Pflanzen am Leben erhält. Ganz ähnlich wie „künstliche Instrumente“ den Pop in Stil von FAREWELL DEAR GHOST am Leben halten.
Trotzdem erzeugt dieses elektronische Hilfsinstrumentarium keine guten Kompositionen oder wirklich guten Gesang – dafür sind FAREWELL DEAR GHOST schon selbst verantwortlich. Und genau das gelingt ihnen auch, was sie bereits mit dem Album-Einstiegssong <a href="https://www.youtube.com/watch?v=ne-7TP57Ksg" rel="nofollow">„Hollywood Dreaming“</a> beweisen, wobei ganz besonderer Höhepunkt aber der Song „Tease“ ist. Ein sehr schönes, melancholisches Duett mit <a href="https://www.youtube.com/watch?v=l9-LxYvQSLM" rel="nofollow">der Sängerin AVEC</a>.
In seinen englischsprachigen Texten geht Sänger Philipp Szalay sehr kritisch besonders mit seiner jung-jugendlichen Generation um, ihre Selbsterhöhung, die fast manische Züge erreicht, oftmals aber „Bad Ideas“ hervorbringt und in ihrem zwanghaften Hang zum Perfektionismus selbstzerstörerische Züge hat.
Alles verkommt zur Künstlichkeit beschienen von künstlichem Neon-Licht, um etwas darzustellen, was man im Grunde nicht ist oder sein kann – so wird aus einem schwachen Zeitgenossen ein starker Selbstdarsteller...
…der uns zu dem FAZIT führt: Kein Wunder also, warum so viel bedrückende, mitunter traurige Stimmungen FAREWELL DEAR GHOSTs 2017er-Album dominieren. Genau diese Stimmung, die mehr zum Träumen und weniger zum Tanzen einlädt, ist die Stärke hinter „Neon Nature“.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.12.2017
Philipp Szalay, Alexander Hackl, Philipp Prückl, Andreas Födinger
INK Music/Rough Trade
42:49
13.10.2017