Aus Fauns wurde FAVNI. Die Namensänderung der Folk / Prog Rock Band geht jedoch nicht mit einem stilistischen Kurswechsel einher. Auf "Windswept" präsentieren sich die Berliner einmal mehr sympathisch weltabgewandt und selbstversunken. So stimmungsvoll ihre eigenwilligen wie abwechslungsreichen Lieder auch geraten, FAVNIs Unaufdringlichkeit sucht ihresgleichen.
Schon die Fauns erweckten nie den Anschein, um die Gunst etwaiger Hörer zu buhlen – entweder diese haben ihre musikalischen Landschaftsmalereien mehr oder weniger zufällig entdeckt und sich genügend Zeit für das Eintauchen genommen, oder es blieb bei einer unverständigen Vergegnung. FAVNI knüpfen auf "Windswept“ nahtlos an "Awaiting The Sun" an, d.h. sie musizieren mal munter, mal verträumt, melancholisch-optimistisch ins Blaue. Der Album-Opener "Yearning For You" neigt sogar verhalten zum Early 2000er Prog der Marke Porcupine Tree ("Deadwing") und Paatos, bevor "Fare-Thee-Well" folkige Akzente zum Wohlfühlen setzt und mit ungewöhnlichen Gesangsmelodien kombiniert. Sängerin Kirsten Middeke verweilt jedenfalls nicht in der Komfortzone, allerdings klingen manche Arrangements ein wenig inkonsequent und rufen nahezu nach einem beherzt helfenden Produzenten, der das große Potential von FAVNI noch stärker zur Entfaltung bringt. Denn dass die Berliner starke Ideen haben und tolle Einflüsse aufgreifen, kann niemand leugnen, der sich "Windswept" in ruhiger Stunde widmet. "The Visionary" erinnert vom Titel her an das eine große Album, das Tiamat wohl nie mehr toppen werden, musikalisch hingegen knüpft es an die mitreißendsten Werke von The Gathering an – richtig: epischer "Prog" Metal mit "female vocals" war vor 20 Jahren noch ein echter Hit. Eben solche hatten Promethean nie im Programm, und nicht nur darin ähneln FAVNI den Finnen: "In The Grey" ist anfangs nicht anzuhören, welcher Space Trip sich da langsam entwickelt. Stilistisch lassen sich FAVNI kaum ein- oder zuordnen, selbst The Inchtabokatables kommen mir beim Hören in den Sinn. Die Aufteilung der Doppel-CD in das eigentliche (?) Album und die Bonus-CD mit zwei Studio- und drei Live-Aufnahmen erklärt sich mir nicht, doch gerade die Live-Version von "Cuiviénen" lässt erahnen, was den Zauber der ehemaligen Fauns ausmacht.
FAZIT: "Windswept" sieht nicht nur aus wie ein Album, das vor 40 Jahren hätte erscheinen können, sondern auch Lieder und Klangfarben unterstreichen die Idee, dass es bereits vor einer Weile aufgenommen wurde. Im Gegensatz zu fast allen "Retro" Bands weisen FAVNI aber eben nicht überengagiert auf DIY und old school vibe hin, sondern traumwandeln zart wie hart durch herbstliche Landschaften. Ihr Fantasy Rock richtet sich an jene Menschen, welche die Lektüre einer viel gelesenen Taschenbuchausgabe vom "Hobbit" in gemütlicher Umgebung den hypermodernen Film-Adaptionen in zeitgenössischen Kino-Komplexen vorziehen.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.05.2017
Falk Hartmann
Kirsten Middeke, Jan-Peer Hartmann, Nils Hartmann
Tom Glase, Jan-Peer Hartmann, Nils Hartmann
Nils Hartmann
Viola & Flöte: Kirsten Middeke
Silberblick Musik
93:29
15.04.2016