0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, 233… Die Fibonacci-Folge. Eine unendliche Reihe von Zahlen, ursprünglich benutzt, um das Wachstum einer Kaninchen-Population zu berechnen. Die Sequenz wird gerne in Verbindung zum Goldenen Schnitt gebracht, der beim Album von FIBONACCI SEQUENCE nach einer Mixtur aus Retroprog, Progressive Metal, Fusion und – hier der einzige Bezug zur Mathematik – Math-Rock. Den Bereich der abstrakten Zahlen betritt die Band nie, die Stücke bleiben, bei aller Finesse und gelegentlicher Vertracktheit, handfest und griffig.
„Cinema Finis“ heißt der zweite Longplayer der amerikanischen Band, also entweder „Das Kino ist aus“, oder das Ende des Kinos wird eingeläutet. Das letzte haben Kulturpessimisten angesichts immer größer werdender Flachbildschirme, exzellenten Wohnzimmersounds und einer schnellen voranschreitenden Digitalisierung, inklusive Downloads und Streaming, längst beschworen. Popcorn, Chips und Nachos gibt es ebenfalls für Daheim. Doch für eine derart dystopische Kinoweltsicht feiert „Cinema Finis“ das Erlebnis Lichtspielhaus zu ausgelassen und dramatisch.
Das reicht bis zum Booklet, das den Tracks eine Bilderstrecke spendiert, die Stummfilmplakaten nachempfunden wurde. Bis auf den kurzen, a capella vorgetragenen, „Lobby Song“ und ein paar hingemurmelte Passagen ist das Album rein instrumental gehalten. Die Gitarre übernimmt zwar die Führungsrolle, doch wird Vielfalt groß geschrieben. Die Keyboards haben ordentlich zu tun, und für besonders pointierte Momente sorgt ein Streicherduo, das gemeinsam, solistisch und als kleines Orchester arrangiert, zum Zuge kommt. Bass und vor allem knallige Drums sorgen für reichlich Wumms, wobei nicht versucht wird, mit Höchstgeschwindigkeit de, Happy End entgegenzubrettern. Dadurch bleibt der Gesamtsound angenehm offen und grazil.
Die Stücke besitzen dramatische Wucht; ein gerütteltes Maß an komplexer Härte bildet die Grundlage, doch die FIBONACCI SEQUENCE nimmt sich auch Zeit für Kontemplation. Dann nähert man sich den frühen GENESIS, besonders das akustische Gitarrenspiel erinnert an Anthony Phillips. Gelegentlich geht es etwas frickeliger zu, wobei technische Exzesse den kinematographischen Gesamtentwurf nicht zerschlagen. Mitunter pendelt die Musik geschickt Richtung Rock-Jazz („Christofer’s Plan“, „Deus Ex Machina“), was ihr gut zu Gesicht steht. Selten wird etwas wiederholungslastig vor sich hin gegniedelt („Repentless“). Ein wenig Straffung hätte dem gut fünfundsiebzigminütigen Hörfilm nicht geschadet. Aber so ist das halt bei Monumentalfilmen, Zeit spielt dort meist keine Rolle.
FAZIT: Wenn der Vorhang hinter „Cinema Finis“ fällt, gibt es ein klares Urteil: Der Besuch hat sich gelohnt. Die FIBONACCI SEQUNCE bietet eine weitgehend spannende und multiplexe Achterbahnfahrt zwischen Rock, Retroprog und -Metal sowie Fusion. Selbst Kammermusik-Intermezzi passen ins Programm („Take Your Seats“). Ein paar Minuten weniger bis zum Abspann hätten dem Album allerdings nicht geschadet. Trotzdem eine reife Leistung.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.10.2017
Chad Novell
The Fibonacci Singers, Mark Krueger
Michael J. Butzen
Jeff Schuelke
Tom Ford
Mariah Schultz (violin), Jake Gresk (cello)
Eigenproduktion/Just For Kicks Music
75:31
13.10.2017