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Foreign Diplomats: Princess Flash

Stil: Indie-Pop und Alternative-Rock mit abgefahrenen Texten

Cover: Foreign Diplomats: Princess Flash

„We make music, we want to dance, we want you to join the party, crack, boom, pow!” - na, dann ist ja klar, was uns auf „Princess Flash“ von den FOREIGN DIPLOMATS aus Kanada erwartet, wenn wir diesen ersten Satz unter ihrer Homepage bei der Bandvorstellung lesen.
Nicht viel, oder?
Man kann das aber auch völlig anders sehen – beispielsweise unter diesem Blickwinkel:
Ausländische Diplomaten bestellt man ja gerne ein, wenn einem etwas in dem Land nicht passt, in dem sie sich gerade aufhalten – z.B. weil man im Diplomaten-Herkunftsland ein Schmähgedicht über einen ausländischen Diktator verliest, der sich gerade zum Monarchen erhebt, indem er Demokratie und Presse sowie Meinungsfreiheit mit einem Handwisch abschafft, nur weil er weiß, dass durch zwielichtige Deals mit anderen Staaten, aus denen solche ausländischen Diplomaten kommen, diese sein Handeln tolerieren und schönreden müssen, statt – wie sie es sollten – sowas zu verurteilen.
Wenn FOREIGN DIPLOMATS aber Musik machen, dann erscheint die Welt in einem anderen Licht. Denn bei dieser spannenden, aber von den Texten her (zum Glück) nicht diplomatischen, sondern extrem ironischen Schreibweise, hat man jede Menge Freude – und garantiert keinen Frust, weil sie ehrlich und richtig gut klingt.
Aber auch, weil sie deutlich auf ihre Vorbilder verweist, den in erster Linie garantiert nicht nur nach „Party machen“ und „Spaß haben“ und „Rumtanzen“ der Sinn steht.

Die FOREIGN DIPLOMATS sind nicht ganz so mutig und experimentell wie die YEASAYER und DECEMBERISTS, dafür aber mindestens genauso melodieverliebt und atmosphärisch wie CONOR OBERST und seine BRIGHT EYES oder THE DIVINE COMEDY – und ganz besonders GET WELL SOON. Sogar die POLICE taucht auf „Princess Flash“ gemeinsam mit den DEXY‘S MIDNIGHT RUNNERS auf, die sich statt um Eileen oder Roxanne um <a href="https://www.youtube.com/watch?v=TqmeRXSWPcg" rel="nofollow">Lilys hübsche Schuhe</a> und den <a href="https://www.youtube.com/watch?v=ks8W5pymR3k" rel="nofollow">alten betrunkenen Paul</a> kümmern. Musikalisch und textlich ist jedenfalls jede Menge auf „Princess Flash“ los, wenn man diesen Indie-Pop aus der kanadischen Hauptstadt Montreal hört, der es endlich über den großen Teich bis zu uns geschafft hat, denn dort wurde das Album bereits am 9. Oktober 2015 veröffentlicht.

Die Texte des diplomatischen Quintetts, welche allesamt im zwölfseitigen Booklet nachzulesen sind und auf der Mittelseite jeweils eine passende Karikatur zugeordnet bekommen, fallen jedenfalls extrem bluttriefend aus und beschäftigen sich mit Massenmördern, Vampiren, mordenden Betrunkenen und tyrannischen Monarchen genauso wie mit <a href="https://www.youtube.com/watch?v=qDpxxzoe5ws" rel="nofollow">„Mexico“</a> und dem Flash-Mob oder echt <a href="https://www.youtube.com/watch?v=Yf8hxOi4vn4" rel="nofollow">„komfortablem Design“</a>, von dem es gleich zwei Video-Varianten im Netz zu entdecken gibt, wobei bei <a href="https://www.youtube.com/watch?v=5I41ccVdfqA" rel="nofollow">der einen</a> die das Album-Cover zierende, traurige Schönheit als Schauspielerin aktiv wird.

Auch das F***-Wort erfreut sich einer besonderen Beliebtheit bei den FOREIGN DIPLOMATS, die wohl garantiert nach diesem Album aus einigen Ländern ausgewiesen würden. Besonders aus solchen, in denen ein Schmähgedicht ausreicht, um sich zur Staatskrise hochzuschaukeln.
Schon der Album-Opener <a href="https://www.youtube.com/watch?v=a5P10loyN4o&feature=youtu.be" rel="nofollow">„Lies (Of November)“</a> beschreibt die missliche Situation, in die man kommt, wenn jemand einem ein Messer in den Rücken stößt, welches man selber partout nicht erreichen kann, weil man zu unbeweglich ist: „I still haven‘t reached the knife you shoved in my back.“ Musikalisch schauen bei dieser unangenehmen Geschichte DIVINE COMEDY vorbei – absolut passend bei solcher Story.
Auf <a href="https://www.youtube.com/watch?v=jdqLU1q4DNk" rel="nofollow">„Flash Signs For Us“</a> trifft dagegen FISCHER Z auf Punk und Posaune und spätestens hier wird einem beim Hören bewusst, dass Sänger Élie Raymonds Stimme nicht nur der von CONOR OBERST, sondern tatsächlich auch der des charismatischen Z-Fischers JOHN WATTS ähnelt plus eine SMITHSsche Prise MORRISSEY verbreitet. Ein großer Reiz des Albums liegt genau bei diesem interessanten, oft fragil wirkenden Gesang. Wobei sogar die textlichen Parallelen im Umkehrschluss zu den SMITHS fast unverschämte Ähnlichkeiten aufweisen, wie bei <a href="https://www.youtube.com/watch?v=VSPv_Q0yByk" rel="nofollow">„Queen + King“</a> unüberhörbar ist: „The faces of the queen / Are always full of joy / ‘Cause the queen is rich and the queen is loved / But the king is dead.“
Die SMITHS jedenfalls ließen auf ihrem Album „The Queen Is Dead“ (1986) lieber die „Queen“ sterben!
Und während nunmehr die schmidtsche Musikvereinigung seit 1987 tot ist, treten die FOREIGN DIPLOMATS im Sinne ihrer ungewöhnlichen Indie-Pop-Ausstrahlung deren Nachfolge an, womit sie allerdings nicht die Einzigen sind. Aber sie gehören auf jeden Fall mit zu den Besten.

FAZIT: Wer genug Sinn für schwarzen Humor und natürlich abwechslungsreichen Indie-Pop aufbringt, dem werden die FOREIGN DIPLOMATS aus Kanada völlig undiplomatisch eine bitterböse Musikmischung auftischen, die es in sich hat und bei der einem trotz des klingenden Optimismus bei den Texten manchmal das Lachen im Halse stecken bleibt und man bei dem einen oder anderen rhythmischen Tanzschritt vor lauter Schreck gehörig ins Stolpern kommt. Was die SMITHS Anfang der 80er-Jahre so einfallsreich und überraschend begannen, setzen die FOREIGN DIPLOMATS recht beeindruckend mit „Princess Flash“ fort.

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 25.01.2017

Tracklist

  1. Lies Of November
  2. Comfort Design
  3. Queen + King
  4. Color
  5. Flash Sings For Us
  6. Liliy‘s Nice Shoes!
  7. Ben Oui Oui
  8. Mexico
  9. Guns (Of March)
  10. Color
  11. Drunk Old Paul (And His Wild Things)

Besetzung

  • Bass

    Antoine Lévesque-Roy

  • Gesang

    Élie Raymond

  • Gitarre

    Élie Raymond, Charles Primeau

  • Keys

    Thomas Bruneau Faubert

  • Schlagzeug

    Emmanuel Vallières

  • Sonstiges

    Thomas Bruneau Faubert (Posaune)

Sonstiges

  • Label

    Indica Records

  • Spieldauer

    40:43

  • Erscheinungsdatum

    27.01.2017

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