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Forest Wanderer: Kalte Wälder der Sehnsucht

Stil: Dark Dungeon Synth / Glacial Ambient

Cover: Forest Wanderer: Kalte Wälder der Sehnsucht

Nein, natürlich hätte es vor 20 Jahren kaum jemand für möglich gehalten, dass in Zeiten der so genannten "pausenlosen Gesellschaft" ausgerechnet das als "Dark Dungeon (Synth) Music" bezeichnete Genre in seiner (vermeintlich) spärlichen Pracht einen zweiten Frühli…, pardon, Herbst, erlebt. Bereits in den Gründerzeiten musste Håvard Ellefsen alias Mortiis alias Zwerg Nase für sein Geklimper im Trauertal des stets dämmrigen Ambient eine Menge Häme einstecken. Und bereits damals fühlten sich einige Tastenritter von armseliger Gestalt dazu erkoren, im Schatten des Meisters noch ödere Werke deutlich unterhalb der Plagiatsgrenze aufzunehmen – und leider ohne Qualitätskontrolle zu verbreiten. Kann es sich nun also überhaupt noch lohnen, einem so eindeutig an dieser Ära orientierten Mini-Album Gehör zu schenken?

Klipp und klar: Wer Härte und Abwechslung, Neuartiges oder Revolutionäres sucht, der wird bei FOREST WANDERER nicht ansatzweise fündig. Ohne eine grundsätzliche Sympathie für Dungeon Synth, und somit für abseitige oder gar abwegige, immer tiefer, noch viel tiefer und letztlich meditativer in dunkle Wälder und Stollengänge führende Musik im Allgemeinen, kommt hier kein Hörer weiter als eine Nasenspitze. (Gewiss, auch die dämlichen Witze werden 20 Jahre später nicht besser!)

Projektname, Songtitel, Albumcover und Orientierungshilfen des Musikers geben Anlass zur Befürchtung, dass sich hier Langeweile und Dilettantismus mit auf den Rücken gebundenen Händen unter Valium-Höchstdosis zum Ork-ärger-dich-nicht getroffen haben. Doch welche Überraschung: FOREST WANDERER bewegt sich auf klar abgestecktem – nicht um zu sagen: winzig kleinen – Terrain zwischen den ruhigsten Klängen von Apoptose, Paysage d’Hiver (im eisigen Ambient-Gewand), Ildjarn und Mortiis (erste Ära), und inszeniert die Reise durch sanfte Winterlandschaften wie eine endlose, bedächtige Schlittenfahrt, eingehüllt in unzähligen Daunendecken, unter einem weit sich aufspannenden Nachthimmel mit funkelnden Sternen und es gibt nichts, aber auch gar nichts, was irgendwie die friedliche Stimmung stören könnte. Nur um eine ungefähre Ahnung zu ermöglichen: Burzums „Hliðskjálf“ nimmt sich im Vergleich hierzu fast schon als eine nervöse Ausgeburt an Hektik aus. Für wen der Glacial Ambient jedoch kaum ruhig genug klingen kann, der sollte sich FOREST WANDERER anvertrauen: Auf dessen Pfaden durch kalte Wälder droht keine Gefahr… außer vielleicht eine Mütze Schlaf, und die mag wiederum manchen gerade im Zeitalter pausenlosen medialen Dauerfeuers herzlich willkommen sein.

FAZIT: Die Rückkehr des Dungeon Synth kann sich im Fall von FOREST WANDERER hören lassen, und allen oberflächlichen Warnhinweisen zum Trotz entpuppt sich „Kalte Wälder der Sehnsucht“ als ein Mini-Album, das seiner glasklaren Zielsetzung mit entwaffnendem Minimalismus gerecht wird und nach einigen Hördurchgängen sogar sanfte hypnotische Kraft entwickeln kann. Hinterwäldlerischer geht es wohl kaum…

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.11.2017

Tracklist

  1. The Gilded Veil of Dawn
  2. Along the Sylvan Path
  3. En Tusen År Gammel Eik
  4. Visions from a Frozen Kingdom
  5. Under en Mørk Nattehimmel
  6. Trauerregen

Besetzung

  • Keys

    Nathan Poblete

Sonstiges

  • Label

    Eigenveröffentlichung

  • Spieldauer

    34:52

  • Erscheinungsdatum

    30.01.2017

© Musikreviews.de