Tatsächlich: Wer dieses hübsche Digipak nicht möchte, kann "Gravitation" gratis digital bei Bandcamp abgreifen und erhält dort ein standesgemäßes Stück Berliner Schule, die strenggenommen keine ist. Der Schöpfer dieser Musik gefällt sich vielmehr im nostalgischen Wiederkäuen jener Sounds, die nicht allen voran Klaus Schulze oder TANGERINE DREAM salonfähig gemacht haben.
Heute ist das ziemliche Nischenmusik, und vor diesem Hintergrund sollte "Gravitation" auch verstanden werden. Die beim argentinischen Label Nebular Silence erscheinende Platte ist Liebhaberkram durch und durch, was ihrer mindestens gehobenen Qualität im gegebenen Rahmen aber nichts abbricht.
Rauschende Synthesizer-Fahnen stehen an der Tagesordnung, dazu glockige Melodien ("Tubular Bells" irgendwer?), die in ihrer Einfachheit manchmal fast mittelalterlich anmuten und zahlreiche liebevoll eingefügte Details, etwa im Titelstück eine tickende Uhr (zumindest hört es sich so an), wodurch ein dezenter Soundtrack-Charakter entsteht. Das Ganze spielt sich über fünf teils deutlich überlange Tracks relativ kurzweilig ab, weil Harald Gramberg, der seiner eigenen Aussage zufolge bereits seit den für diese Musik prägenden 1970ern aktiv ist, auf eine bunte Palette von Klangerzeugern zurückgreift.
So kommen Geräte von u.a. Korg, Conn und Yamaha zum Tragen, die psychedelische, esoterische Vibes erzeugen. Teilweise gerät die Chose rein geräuschhaft und deshalb nicht ganz so ersprießlich, aber insgesamt liegt der Fokus eindeutig auf fassbaren Strukturen im Sinne des klassischen Liedes, auch wenn sich selbiges nie im "normalen" Rahmen von vier bis fünf Minuten abspielt.
Harald Gramberg ist also ein Equipment-verliebter Nerd und darum nicht unsympathisch mit dieser programmatischen Wohnzimmer-Produktion. Er steht zweifelsohne im Zeichen von Dieter Schütz, Adelbert von Deyen, Christopher von Deylen, musiziert aber nie so farbenfroh oder gar virtuos wie etwa Electro-Jazz-Vorreiter Hans Deyssenroth, der eine durchaus vergleichbare Klangästhetik verfolgt hat.
Höhepunkte: die Weltraumexploration 'Space Trip', das mit gesprochenem Text auflockernde 'Von der Quelle bis zur Mündung' und eine Ehrerbietung gegenüber dem Kosmos in Form von 'Consacré L’Univers'.
FAZIT: Eine Geschichte für beinharte Ambient-Fans, dafür aber in diesem Bereich mit allen Wassern gewaschen. Der nüchterne Betrachter ärgert sich über teilweise arg einfältige Akkordfolgen, deren Grundtöne wie im Zweifinger-Suchsystem ersonnen wirken, aber so ist sie eben, diese Musik für die nächste Yoga-Session oder zum Träumen, wenn man auf Wolken schweben und nach den Sternen greifen möchte. <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/da13235825dd44f4bc701d82ca244c5e" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 31.12.2017
Nebular Science / Clostridium
51:33
01.12.2017