Schockreaktion nach HAUDEGENs Aus beim Major-Label? Mitnichten, denn das Duo tritt vielmehr die Flucht nach vorne an und stemmt mit "Blut, Schweiß und Tränen" ein ehrgeiziges Projekt, das nicht nach hinten losgeht, weil sie es in naheliegende Häppchen aufgeteilt haben.
Die unbequeme Farbwahl zur Gestaltung der Cover ergibt nichts weniger als deutsches Schwarz-Rot-Gold, doch darauf, dass HAUDEGEN klar Position beziehen (nämlich artig links der politischen Mitte), braucht man sicherlich niemanden hinzuweisen, der dies hier liest. Die Stücke auf Blut sind bewusst "hart" angelegt und richten sich inhaltlich gegen gar nicht so augenfällige Feindbilder: Verschwörungstheoretiker und Populisten stehen am Pranger, aber die zwei Schöpfer wettern nicht einseitig gegen alles und jeden, sondern beweisen durchaus Feingefühl, so wie es ihre Fans gewohnt sind.
Dies geschieht zwar nicht unbedingt über poetische Lyrik, aber so niveauvoll auf Rechts wie 'Patriot' oder 'Einigkeit, Recht und Freiheit' schießen zeitgenössische Deutschrock-Songs selten. Die sozusagen mit dem Lineal ausgemessener Koordinaten auf der Emotionslandkarte beackern HAUDEGEN erst auf "Schweiß", der Achillesferse dieses dreiköpfigen Konzept-Ungeheuers, während "Blut" gestisch vor Hardrock- oder sogar Heavy-Metal-Annäherungen strotzt, die den Textgehalt bisweilen zwar nicht gänzlich, aber doch ein Stück weit in den Hintergrund drängen.
Selbstverständlich stilisieren sich HAUDEGEN weiterhin zu verwegenen Straßenkötern und Vorkämpfern für in welcher Form auch immer Entmächtigte und Stimmlose, aber ihr Songwriting übertrifft das Niveau einschlägiger Kollegen, die sich mit Deutschtümelei bei ihrer Klientel einschmeicheln, übertreffen Sven Gillert und Hagen Stoll mit weitem Vorsprung. Wenn man (eingebildete?) Gegner verbal mit Esprit attackiert und genügend musikalische Substanz bietet, lassen sich Texte bis zu einem gewissen Grad verdrängen.
Im Fokus stehen sie naheliegenderweise speziell in 'Stoff aus dem die Träume sind' und Halb so frei. 'Halb so wild' (für diesen Titel bitte einen Orden an die zwei!), weil hier die Rapper Kool Savas und Manuellsen als Gäste zu hören sind. Dadurch erweitern HAUDEGEN ihre Palette zwischen Schlager und Straßenrock um Hip-Hop-Nuancen, die nicht wie ein Fremdkörper wirken.
FAZIT: Mit "Blut" besinnen sich HAUDEGEN auf Tugenden, die eigentlich nur ihre Debüt-EP prägten. Die zornigen Songs des Albums zünden schnell, nutzen sich aber nicht ab und halten auch über die gesamte Spielzeit hinweg bei der Stange, womit das Projekt beweist, dass es kompositorisch fest mit beiden Füßen auf dem Boden steht. So stark wird allerdings erst "Tränen" wieder, bloß auf die leise Tour. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/87a39d2a24f146dba8696afdef319b2c" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.08.2017
Tonpool & Zebralution
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04.08.2017