Man könnte eine ganze Menge über Album Nummer Vier der US-Thrasher HAVOK schreiben. Zum Beispiel, warum „Conformicide“ gar nicht so nonkonform ist, wie der Titel suggeriert, dennoch aber meilenweit aus dem Grundrauschen der musikalischen Mittelmäßigkeit heraussticht.
Oder warum David Sanchez den Literaturnobelpreis genauso verdient hätte wie Bob Dylan. „Politics and big business. The United Snakes of America“, sei nur als Beispiel genannt. Oder „Political correctness is a social disease. Fuck it.“ Oder „War is Peace, Freedom is Slavery, Ignorance is Strength.“ Äh, nein, das war ja jemand anderes.
Aber der Reihe nach. HAVOK haben sich ja eine treue Fanbase erspielt und ihre vorheriges Album wird mehrfach als Kandidat zum Thrash-Album des Jahres gehandelt. Und vieles fehlt auch "Conformicide" zu diesem Titel nicht, vor allem, weil man durch Neuzugang Nick Schendzielos (JOB FOR A COWBOY, CEPHALIC CARNAGE) einen Bassmann aus einer anderen Dimension gewinnen konnte. Sein brodelndes akzentuiertes Spiel, das auch vor Slap-Einlagen nicht zurückschreckt, ist deutlich im Mix zu verorten und verschmilzt mehr als einmal mit der Gesanglinie zu einer Einheit, während die Gitarren eher traditionell, aber sowohl eingängig als auch eigenständig zu Werke gehen. Dabei lässt man sich in den meist langen Songs auch mal viel Zeit, "Masterplan" benötigt beispielsweise beinahe zwei Minuten, bis der Song richtig abgeht. Womit man zu den beide Kritikpunkten kommt, als da wären die Länge der Songs, die gelegentlich gerne eine Minute früher als Gewinner ins Ziel gehen könnten, als nochmal die Strophe zu strapazieren und die immer wieder ähnlich in den Refrains eingesetzten Gang-Shouts. Wie oft "Peace Is In Pieces" wiederholt wird, mag man gar nicht zählen. Da haben sich vor allem in der zweiten Hälfte des Albums etwas schwächere Songs eingeschlichen, die allerdings immer noch locker inspirierter sind als bei manch untoten Zeitgenossen der ersten Thrashwelle. Mist. Sakrileg.
Das alles macht dennoch in der Summe ein Thrash-Album der Oberklasse, das gleichzeitig tief im kritischen Geist der alten Thrasher verwurzelt ist und inhaltlich mehr Punk als viele der heutigen Punkbands ist. Gründe, angepisst zu sein, gibt es ja auch in AmeriKKKa viele. Politik, organisierte Religion und Medien, nein nicht im Sinne der vielzitierten "Lügenpresse", sondern als gezielt manipulierendes Ruhigstellungsinstrument, werden selten explizit benannt, wobei HAVOK bewusst auf simple Problemlösungen verzichten.
FAZIT: Leider halten HAVOK nicht auf ganzer Albumlänge das Niveau der ersten Hälfte von "Conformicide". Dennoch bietet das Album "top-shelf" Thrash der modernen und technisch beeindruckenden Sorte. Sympathische Band.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.04.2017
Nick Schendzielos
David Sanchez
Reece Scruggs, David Sanchez
Peter Webber
Century Media
57:55
10.03.2017