Da schlagen gleich zwei Herzen in einer Kritiker-Brust, wenn er einerseits die freudige Nachricht überbringen darf, dass das aktuelle Album des KRAAN-Bassisten, eine Zusammenstellung mit seinen Stücken, die sich vom Titel her auf sein erstes Solo-Album <a href="https://www.youtube.com/watch?v=u2UC4gJTjYE" rel="nofollow">„Bassball“</a> bezieht, nicht nur sehr gelungen, sondern auch vom Klang her einfach gigantisch ist, aber im gleichen Atemzug auch mitteilen muss, dass der deutsche Ausnahme-Bassist, der mit diesem Album ausgiebig seinen 65. Geburtstag auch live feiern wollte, leider alle Konzerte absagen musste, da ihn (hoffentlich nur momentan) eine Krankheit quält, über die er sonst keine weitere Auskunft gibt. Irgendwie sind das immer die beschissensten Nachrichten, wenn Gutes von Schlechtem überlagert wird.
Doch konzentrieren wir uns nun auf <a href="https://www.youtube.com/watch?v=pJ6DVqusfso" rel="nofollow">„Bassball II“</a> und die guten alten Musik-Zeiten von HELLMUT HATTLER, die so vielfältig sind wie ein kunterbunter Blumen- oder besser Kräuterstrauß, den man dem experimentierfreudigen und sich in unglaublich vielen Musikstilen zuhause fühlenden Musiker zu seinem 65. schenken sollte. Egal, ob Kraut-, Progressive- und Jazz-Rock, Electronics, TripHop, Acid-Jazz, Funk, Blues oder Soul – was HATTLER unter seinen Bass bekommt, fühlt sich freistilistisch pudel-bass-wohl. Und da der Bassist ein ganz besonderer Typ ist, haut er nich etwa nur eine bunte Mixtur alter Musik auf einer Geburtstags-CD raus, sondern beschließt stattdessen:
„Anfang dieses Jahres habe ich den Plan gefasst, am 12. 04. ein ganz spezielles Album machen zu wollen und nicht etwa eine Retrospektive, sondern eins mit durchweg neu komponierten Titeln für und mit meinen Langzeit- und aktuellen Bands KRAAN, HATTLER, <a href="https://www.youtube.com/watch?v=Nk2MLw2y0wE" rel="nofollow">SIYOU‘N‘HELL</a>, dem ALI NEANDER PROJEKT, DEEP DIVE CORP., TAB TWO und anderen Freunden.
Es ist jetzt natürlich nicht so, dass ich dafür alles an einem Tag komponiert hätte, denn die KRAAN-Sachen lagen ja schon seit einiger Zeit unfertig auf Halde und auf meinem Herzlein herum – also fing ich an, diejenigen Kompositionen, die zu Songs werden sollten, zu betexten und die bereits angefangenen Sachen vollends fertig zu arrangieren, um danach all das aufzunehmen, was auf das Album sollte.“
Und wer nun 2 und 2 zusammenzählen kann, der kommt sicher darauf, dass mit dem „Stichtag“ 12. April 2017 sich HATTLER das Datum seines 65. Geburtstags wählte.
Besonders die Kraut- und Jazz-Rock-Fans lieben ihren Hellmut schon wegen <a href="https://www.youtube.com/watch?v=pTwS0BE_NVw" rel="nofollow">KRAAN</a> leidenschaftlich und wahrscheinlich auch wegen <a href="https://www.youtube.com/watch?v=J75alNHjmcM" rel="nofollow">GURU GURU</a>, bei denen er zwischen 1975 und 1981 sowie 2008 unter dem Pseudonym Karl Maria von Sinnen die Bass-Saiten vibrieren ließ. Sogar ein kurzes Gastspiel bei FEHLFARBEN gab er Mitte der 80er-Jahre.
So ist es selbstverständlich, dass „Bassball II“ mit nicht nur einem oder zwei, sondern gleich drei KRAAN-Stücken eröffnet wird, die eine gelungene Einstimmung auf das sind, was dann als buntes Musik-Kaleidoskop fortgesetzt wird und man manchmal kaum glauben kann, dass tatsächlich ein Musiker für diese Vielfalt zuständig sein soll. Doch wer genau zuhört, erkennt alsbald, dass die Dominanz des Basses bei allen Titeln extrem auffällig ist, wo sich doch heutzutage noch immer das Vorurteil durchsetzt, dass ein Bassist im Hintergrund einer Band gerne die Saiten zupfen oder schlagen, aber bitte doch nicht vordergründig agieren darf. Das sieht man nach dem Hören von „Bassball II“ komplett anders, denn hier ist der Bass allererste Musik-Sahne.
So „bassiert“ auf „Bassball II“ der Bass mit freistiliger Freude auch im Acid Jazz – einer Kombination aus Jazz(-Trompete) und HipHop - von <a href="https://www.youtube.com/watch?v=3mD0QMJA2mQ" rel="nofollow">TAB TWO</a> im funkigen, herrlich gesungenen Soul bei HATTLER oder SIYOU‘N‘HELL und selbst Elektronisches kommt mit <a href="https://www.youtube.com/watch?v=8TKT9d7_scE" rel="nofollow">DEEP DIVE CORP.</a> nicht zu kurz. Das seltsamste Stück aber schließt „Bassball II“ ab, zu dem seiner Ungewöhnlichkeit wegen Hellmut Hattler speziell erwähnt: „Kleine Ausnahme auf dem Album ist der Titel ‚Tiny Little Mad‘ mit der Sängerin SANDIE WOLLASCH. Der war schon seit längerem fix und fertig, und eine zeitlang habe ich mir den bis zum Abwinken zuhause angehört, nur hatte ich einfach überhaupt keine Idee, wo dieser Song stilistisch hätte jemals dazu passen können – aber nun rundet jetzt diese freche Lolita-Beatnummer das ja ohnehin ziemlich breite musikalische Spektrum dieser kleinen Werkschau perfekt ab.“
FAZIT: Als „Bassball II“ als Download genau am 12. April 2017 zu HELLMUT HATTLERs 65. Geburtstag erschien, setzte es sich tatsächlich zwei Wochen lang auf Platz 1 der Amazon-Jazz-Charts fest, obwohl hier neben (etwas) Jazz zugleich jede Menge andere Musikrichtungen zu bewundern sind, bei denen eben immer der Bass eine sehr bedeutsame Rolle spielt. Nun endlich gibt es das Album auch als CD und LP und wurde sofort im AUDIO-Magazin zur „Audiophile CD des Monats“ gekürt, was bei dem gigantischen Klang und der sehr guten Musikqualität natürlich nicht verwundert. Ein absolutes Referenz-Album für alle, die dem Bass in der Musik aller Stilarten eine besondere Rolle zuteilen oder sich selber gerne an diesem Instrument auslassen. Wenn HELLMUT HATTLER den „Bassball“ wirft, versenkt er ihn ganz locker und souverän in jedem Musik-Korb, und das schon seit mehr als 45 Jahren, als er mit KRAAN begann!
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 31.08.2017
Hellmut Hattler
Joo Kraus, Fola Dada, Siyou Ngnoubamdjum, Sandie Wollasch, Hellmut Hattler
Peter Wolbrandt, Ali Neander, Peter Musebrink, Yasi Hofer
Martin Kasper, Peter Musebrink
Jan Friede Wolbrandt, Moritz Müller, Oli Rubow, Juergen Schlachter
Joo Kraus (Trompete), Torsten de Winkel (E-Sitar), Johannes Pappert (Saxofone)
Bassball Recordings/36music/Broken Silence
53:22
11.08.2017