IF sind das klassische Beispiel dafür, wie ungerecht sich das Leben im Musikbusiness doch gestalten kann. 1969 gegründet und angetreten, als ernsthafte Konkurrenz für CHICAGO oder BLOOD, SWEAT & TEARS spielten sie eine Fusion aus Jazz Rock, Funk und Prog mit jeder Menge Gebläse der allerersten Güteklasse. Doch aus welchem Grunde auch immer blieb ihnen der ganz große Durchbruch verwehrt, obwohl sie haargenau auf dem gleichen Qualitäts-Level wie die benannten Bands funkigen Jazz Rock boten, der auch aus heutiger Sicht noch unübertroffen ist.
Dass dies ganz genauso von Repertoire Records gesehen wird, beweisen die mal wieder in allerbester, speziell für Vinyl remasterter Klang- und gestalterischer Qualität neu aufgelegten, remasterten 180g-LP-Ausgaben von „If“ und „If 2“, die beide im Jahr 1970 erschienen.
Bleiben wir also <a href="https://www.youtube.com/watch?v=34kkKdSe11Q" rel="nofollow">beim ersten Album der britischen Fusion-Band</a>, das 1970 zuerst bei Island Records in Großbritannien und Capitol Records in den USA veröffentlicht wurde.
Die siebenköpfige Band zeichnete sich auf ihrem Debüt „If“ durch eine gelungenen Musikmischung aus, die besonders aus der geschickten Kombination von fetter Orgel sowie funkigen Saxofonen und Flöten bestand, welche von Bass, Gitarre und Schlagzeug eine rockige Begleitung erhielten, während die blues-rock-raue Stimme von Sänger J.W. HODGKINSON ein paar Erinnerungen an CHRIS FARLOWE von COLOSSEUM weckte.
Unweigerlich kamen einem bei dieser musikalischen Mischung auch immer wieder mal Erinnerungen an MILES DAVIS und JOHN McLAUGHLIN in den Sinn. Vielleicht war es gerade diese ungewöhnliche, für viele Anfang der Siebziger recht gewagte Mixtur, die eine spezielle Einordnung der Band so schwierig machte. Dadurch war IF wohl nicht der Erfolg beschert, den sie sich bei ihrem Debüt verdient hätten, welches bereits ein echtes Meisterwerk war und das mit „Dockland“ sogar eine Ballade bot, die das Zeug zum Klassiker hatte und bei der diesmal der Gesang offensichtlich an STING erinnert, der mit dieser Art zu singen Jahre später Weltruhm erlangte.
Die drei längeren Songs der LP-A-Seite sind in ihrer Struktur recht ähnlich und leben von einem rockigen Beginn, der immer wieder in von Saxofonen und Flöte dominierte Jazz-Parts übergeht, dann den Instrumenten Freiräume für das eine oder andere Soli einräumt, während der prägnante Gesang sowie die fette Orgel die Songs zusammenhält. Bei „What Did I Say Abouth The Box, Jack?“ kommen sogar noch weltmusikalische SANTANA-Klänge mit ins Spiel. Bandgründer und Leiter von IF, DAVE QUINCY, plauderte diesbezüglich bei einigen Songs schon aus dem IF-Nähkästchen, indem er beispielsweise feststellte, dass „What Did I Say About The Box, Jack?“ die erste Komposition des 2000 im Alter von 60 Jahren verstorbenen IF-Saxophonisten DICK MORRISSEY war, für die IF noch keinen Titel hatte. Als aber der Organist JACK McDUFF gerade in dem Moment der Aufnahme ins Studio kam, fragte ihn der Band-Manager Lew Futterman, was er denn da in der Kiste hätte. Diese Frage: „What Did I Say About The Box, Jack?“ gefiel den Musikern so gut, dass sie sich entschieden, den Song danach zu benennen.
„What Can A Friend Say“ und „Promised Land“ haben dagegen eine noch spannendere Geschichte, da die Songs noch auf die Band BABYLON zurückgehen, die Quincy leitete, bevor er IF gründete. BABYLON waren damals Support von BLIND FAITH bei ihren Schweden-Konzerten und auch ERIC CLAPTON, GINGER BAKER und STEVE WINWOOD alias Blind Faith waren recht angetan von deren Musik. Trotzdem zerbrach kurz darauf das Bandgefüge und Quincy traf Dick Morrissey, mit dem er IF gründete und die beiden BABYLON-Titel gleich mit auf deren ersten LP unterbrachte. „What Can A Friend Say“ war dann auch genau der Track, welcher ihnen den Deal mit Island Records bescherte.
Die „If“-A-Seite, welche mit dem knapp siebenminutigen „What Can A Friend Say“ endet, besitzt jedenfalls einen unglaublichen Jazz-Rock-Drive.
Die vier deutlich kürzeren Stücke der LP-B-Seite weisen noch eingängigere Rhythmen, ja sogar für die damalige Zeit echte Hit-Qualitäten auf, ohne allerdings auf das eine oder andere Solo zu verzichten, sodass sich auf „Woman Can You See (What This Thing Is All About)?“ das Saxofon und die Orgel im Duett ausgiebig austoben dürfen. Echt funky und hitverdächtig klingt das – und wäre bei CHICAGO garantiert eine Erfolgsnummer geworden.
„Raise The Level Of Your Conscious Mind“ bekommt sogar einen hymnischen Mitsing-Charakter verpasst, während die folgende Ballade „Dockland“ dann zum zarten Dahinschmelzen einlädt. Das Ungewöhnliche an dem Song ist, dass IF ihn nie live auf der Bühne spielten. Er war einfach zu ruhig und außerdem vom Bassisten der Band komponiert, der sein sentimentale, für die Bühne schlicht zu ruhige Ader darin bewies. In dem Stück geht es um den Londoner Nordhafen, der kurze Zeit später geschlossen wurde. Außerdem spielte „Docklands“ noch der erste IF-Schlagzeuger SPIKE WELLS ein, der kurze Zeit später zum Priester konvertierte.
„The Promised Land“ nimmt dann noch einmal an „Höllen“;-)Fahrt auf und führt „If“ zu einem schwungvollen Abschluss, bei dem die Bläser-Sektion noch einmal beweisen kann, was sie auf dem Brass-Kasten hat, bevor die Orgel mit einem kurzen Solo den gesungenen Epilog einleitet, der uns dazu auffordert, dass wir gemeinsam mit ihm ins versprochene Land mitkommen sollen: „Come, come with me in the promised land!“ Schade, dass der Schlagzeuger die abschließende Zeile des Stücks wohl zu ernst genommen hatte, obwohl Dennis Elliott ein hervorragender Ersatz für ihn war.
In dieses versprochenen Musik-Land kommen wir Jazz-Rock-Freunde dagegen garantiert nur zu gerne mit und fragen uns, warum 1970 „If“ der Erfolg verwehrt blieb, den dieses Album verdient hätte.
FAZIT: Mit „If“ von IF aus England haben Repertoire Records sich für ihre absolut hochwertigen LP-Veröffentlichungen wieder einen besonderen Leckerbissen ausgesucht. Das IF-Debüt aus dem Jahr 1970 bietet großartigen, progressiv ausgerichteten, funkigen Jazz-Rock mit viel Gebläse (Saxofone und Flöten), der in ähnlicher Art CHICAGO und BLOOD, SWEAT & TEARS in Amerika Riesenerfolge bescherte. Wie‘s scheint waren die Engländer für diese Art Jazz-Rock 1970 noch nicht reif genug. An der musikalischen Qualität, die IF auf ihrem Debüt boten, konnte es jedenfalls nicht liegen!
Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.04.2017
Jim Richardson
J.W. Hodkinson, John Mealing
Terry Smith
John Mealing
Dennis Elliott
Dick Morrissey (Saxophone, Flöte), Dave Quincy (Saxophone)
Repertoire Records
37:11
31.03.2017