In Australien ist JAIMI FAULKNER seit seinem 2004er-Debüt-Album „Last Light“ eine große Nummer mit dauerhafter Anwartschaft auf Radio-Airplay. Sicher trug dazu auch bei, dass er bereits im Vorprogramm von CHRIS WHITLEY und CHRIS ISAAK auftrat. Doch zum Glück steht Faulkner deutlich mehr unter Dampf, erinnert öfters an BRUCE HORNSBY oder JOSHUA KADISON bzw. RYAN ADAMS und ADAM GREEN und lässt uns manchmal musikalisch auf der Route 66 mit offenen Ohren und wehenden Haaren dem Americana-Sonnenuntergang entgegenfahren.
Doch warum sich JAIMI FAULKNER dafür entschied, von der australischen Hauptstadt Melbourne in die deutsche Hauptstadt Berlin zu ziehen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Und ob das für seine musikalische Entwicklung hilfreich ist, kann im Land der kompletten öffentlich Ignoranz wirklich guter Musik, in dem sich jedes Wochenende entweder ein Schlager-(Carmen)-Nebel oder ein Volksmusik-für-Hansi-hinterm-See aus den musikalisch farblosen Farbfernsehern der deutschen Nation ergießt, stark bezweifelt werden. Hier besetzt man mit Blues, Americana, Singer/Songwriter höchstens eine Nische, aber keinen günstigen Sendeplatz. Dieser öffentlich-rechtliche, von unseren Gebühren unfreiwillig finanzierte Scheiß mit geistiger Potenzstörung, gegen die auch die Potenzmittel, welche man vor diesen musikalischen Durchhängern zuvor in Werbeblöcken anpreist, nicht helfen.
Er ist also wieder zurück auf der Straße, singt davon sein <a href="https://www.youtube.com/watch?v=IR7AbhKQzL8" rel="nofollow">„Back Road“</a>-Lied und sucht dort ganz offensichtlich nach seinen Wurzeln, nachdem der gute Jaimi auf seinem letzten 2015er-Album „Up All Night“ ein wenig zu intensiv in die Pop-Gefilde abgedriftet war. Besonders positiv ist dabei, dass seine Band stärker in den Mittelpunkt rückt, eine Hammond Orgel immer wieder dieses nostalgische Siebziger-Flair verbreitet, während Faulkner seine im Dylan-Stil gehaltenen, lyrischen Texte wie kleine abgeschlossene Geschichten vorträgt. Man kann nicht anders, man muss ihm dabei einfach zuhören. Diese eindringliche, klare Stimme fesselt einen von Anfang an. Und dabei geht JAIMI FAULKNER hart zur Sache, wie auf „Pockets Of Gold“: „When will we have it all? We ain‘t got nothing at all. Let‘s all fuck the system like some greedy politician, come and get it, it‘s your pocket of gold.“
„Back Road“ klingt so frisch und unverbraucht, als wäre es live eingespielt worden – und im Gunde ist es auch so. Anfang November zog sich JAMIE FAULKNER mit seiner Band sowie seinem mobilen Studio in ein Bauernhaus in Bremen zurück, in dem sie innerhalb von zwei Wochen das komplette Album „live“ und so gut wie keinen Overdubs einspielten. Eine Atmosphäre, die man wirklich hört und bei der neben dem Gesang auch genug Freiräume für ausgiebige Soli und Instrumentalpassagen geschaffen wurden.
In den Songs, welche sich geschickt zwischen purem Rock, sanften Balladen, Folk, Blues und Country und natürlich den aussagekräftig vorgetragenen Singer/Songwriter-Stücken bewegen, nimmt Faulkner kein Blatt vor den Mund, egal, ob es dabei um persönliche oder politische Themen geht, die manchmal ziemlich desillusionierend wirken: „And every time that you come ‘round here I get uneasy. And that hate that you spilling ‘round her, I can hardly hold back my tears“, heißt es beispielsweise im Titel-Song. Noch deutlicher geht es in dem düsteren, einem Gospel-Song sehr ähnlichen „All My Hope Is Gone“ zur Sache, der eine NICK DRAKE meets JEFF BUCKLEY-Atmosphäre verbreitet und hellseherisch fast auf das verweist, was gerade die Schlagzeilen unserer Nachrichten bestimmt, wenn ein Amokschütze aus einem Hotelfenster in Las Vegas 59 Menschen erschießt und mehr als 500 verletzt: „How it pains me to hear of the despair. Men in high places gonna talk of peace through violence. Fuelling enemies with weapons as they strip each other bare. […] Oh and I try, I try to look towards the sky. But I fear that today, all my hope it is gone.“
In solchen Situationen kann man tatsächlich die Hoffnung verlieren.
Trotzdem – hier kommt der Versuch eines FAZITs - ist „Back Road“ ein gutes und hoffnungsvolles Album mit viel Tiefgang und dem „‘Americana‘ way to musical life“ statt diesem derzeitigen „American style to kill“ geworden. Ob Deutschland für dieses Album des australischen Berlin-Musikeinwanderers reif genug ist, bleibt abzuwarten – die öffentlichen Funk- und Fernsehstationen des kleinbürgerlichen Mainstreams sind es jedenfalls nicht. Die wandeln lieber weiter atemlos mit Helenchen durch den (Carmen) Nebel musikalischer Samstagabend-Unterhaltung zwischen Schlager und Volksmusik. Schließlich will man in seinen eigen vier Wänden doch nicht mit den Problemen Anderer belästigt werden: „Tell me Jesus where can I find answers?“ Auf diese Frage wird JAIMI FAULKNER bei uns jedenfalls keine Antwort finden. Seine Musik und seine Texte sind im Grunde schon Antwort genug. Kein Album für gutgläubig, lauthals Betende, sondern für nachdenkliche, offenohrig Hörende.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.10.2017
Judith Renkema
Jaimi Faulkner
Jaimi Faulkner
Leon den Engelsen
Luuk Adams, Leon den Engelsen
Jaimi Faulkner (Autoharp)
Make My Day Records/Indigo
43:52
25.08.2017