Jamie Edward Lenman (ehemals bei den Alternative-Rockern REUBEN) arbeitet auch als grafischer Illustrator, und das hört man insbesondere seinem Soloschaffen an. Bereits sein Einstand 2013 "Muscle Memory" - immerhin eine Doppel-CD - beeindruckte als akustischer Bildersturm, und "Devolver" steht dem unter leicht veränderten Vorzeichen in nichts nach.
Das Bass-fokussierte 'I Don’t Know Anything' hat etwas von Eighties-Minimal-Disco, was auch auf den verzerrten Schräg-Pop 'Bones' zutrifft. Gleichwohl die vielen elektronischen Einsprengsel auch andernorts eher auf Pop als misstönend destruktive Verstörtheit ausgerichtet sind, biedert sich der Künstler in keiner Weise an. Vielmehr möchte er scheinbar nicht miteinander in Einklang zu Bringendes auf virtuose Art verschmelzen.
Die Single 'Mississippi' (mit einem Text-Rückgriff auf 'Shotgun House' vom Debüt versehen) wirkt finster und dem klassischen Industrial Rock Chicago'scher Provenienz (Wax Trax) nahe, 'Comfort Animal' und das Titelstück sind in mehrfacher Hinsicht Zwillingssongs - eine Verwandtschaft, die man aber im Grunde auf alle Tracks des Albums übertragen darf, denn bei aller Zitierfreudigkeit und Stil-Springerei überhört man eines nie: Lenman ist ein herausragender Songwriter, der sich, egal in welcher Situation, ins Herz offener Hörer komponiert bzw. spielt.
FAZIT: Wenn "Devolver" eines nicht ist, dann seelenlos. Jamie Lenman hat gemeinsam mit Produzent und Freund Space ein sehr menschliches Album mit dennoch entschieden digitalem Charakter geschaffen, und wenn er etwa in 'Body Popping' bittere Kritik am in der Musikszene vorherrschenden Zeitgeist des Erfolgs trotz Talentfreiheit übt, denkt man, der Song sei wie eigentlich die ganze Scheibe ein Fanal für künstlerischen Wagemut.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.11.2017
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