Was tut ein Musiker, der sich bereits in allen möglichen Charts tummelte und neben zahlreichen Presen fünfmal (!) für den Grammy nominiert wurde, um sich noch selbst zu überraschen bzw. seine Begeisterung für die Sache zu behalten? Er nimmt Feinabstimmungen vor, wird gewissermaßen zu einem Perfektionisten, und dies trifft auch auf Blues-Emporkömmling Kenny Wayne Shepherd zu. Mit seinem neuen Album schafft er einen Fortschritt auf mehreren Ebenen und bleibt sich trotzdem selbst treu.
Was sich wie Promo-Gewäsch liest, lässt sich konkrekt an den aktuellen Songs des Amerikaners belegen. Man merkt dem achten Studioalbum des Klampfers an, dass er an seinem Spiel und seinen Fähigkeiten am Studio-Mischpult feilte. "Lay It On Down" wurde im Frühjahr 2017 in den Echophone Studios in Louisiana eingespielt und zeigt Shepherd nicht rundum erneuert, aber frisch wie lange nicht mehr.
Mit 'Diamonds & Gold' überrascht er bereits früh; das Stück swingt und schmatzt einerseit poppig, wartet aber auch mit fetten Bläsersätzen auf und hebt den Künstler genaus aus dem reinen Blues heraus wie die am Country schrammende Liedermacher-Ballade 'Lay It On Down. Dass er die ganze Scheibe danach benannt hat, sagt viel über sein momentanes Selbstverständnis aus. Die etwas kraftvollere, aber stilistisch ähnlich gelagerte Schunkel-Nummer 'Hard Lesson Learned' und das minimalistische Roadmovie 'Louisiana Rain' unterstreichen den Eindruck, der Gitarrist und Sänger habe sich von jeglichem Erwartungsdruck befreit, sollte es diesen je gegeben haben.
Shepherds Texte sind diesmal übrigens noch weniger als zuvor reines Beiwerk, sondern eine wichtige Komponente der Lieder. Sie stellen persönliche Probleme und Entbehrungen in den Brennpunkt, die sich direkt auf die Musik niedergeschlagen haben, falls diese nicht vorm Niederschreiben der Lyrics entstanden sein sollte. Mehr denn je setzt der Künstler auf Momentaufnahmen im Sinne einer Standortbestimmung. Schwingt da etwa ein bisschen Altersweisheit mit? Dazu ist der Mann eigentlich immer noch zu jung, oder?
Und der Ort, an dem er sich befindet, ist nur in Teilen ein angestammter. Tradition verpflichtet sicherlich, doch andererseits legt Shepherd einige seiner rockigsten Tracks überhaupt vor, beispielsweise 'Baby Got Gone' oder 'Down For Love'. Sein flammendes Solospiel beweist, dass er immer noch Feuer unterm Hintern hat. Vor diesem Hintergrund Neuland im gegebenen Rahmen zu beschreiten ist eine stimmige Vorgehensweise.
FAZIT: Bei aller Souveränität im Umgang mit dem Idiom Blues vermittelt "Lay It On Down" eine gewisse Aufbruchstimmung, die Kenny Wayne Shepherd gut steht. Es handelt sich um ein Genre-Album, das seinen Schöpfer wohltuend von der allseitigen Behäbigkeit abgrenzt, die man manchen Protagonisten der Szene anscheinend nicht austreiben kann. <img src="http://vg01.met.vgwort.de/na/c4b39311eb61445fa1f1627bab1b0d70" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.07.2017
Mascot / Provogue
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21.07.2017