Ein Requiem in vier Akten, das den Titel <a href="https://www.youtube.com/watch?v=527aAWMzJfA" rel="nofollow">„Testimonium“</a> trägt!
Dies also ist die musikalische Totenmesse von LACRIMOSA, die sicher vielen aus dem Herzen sprechen, musizieren, texten und singen werden, welche genauso wie das Gothic-Duo Wolff & Nurmi voller Entsetzen wahrgenommen haben, wie im vergangenen Jahr richtig großartige Künstler fast wie die Fliegen dahinstarben – oder um es in den Worten von Tilo Wolff zu sagen: <a href="https://www.youtube.com/watch?time_continue=1&v=60gVWAH2efg" rel="nofollow">„Wenn unsere Helden sterben“</a> - und ähnlich große Löcher wie das Ozon-Loch in die immer kleiner werdende anspruchsvolle Kultur-Landschaft reißen, einer Landschaft, die immer mehr in Belanglosigkeit und Schnelllebigkeit versinkt. Doch was bleibt <a href="https://www.youtube.com/watch?v=XAeX-Ib3IW8" rel="nofollow">„Nach dem Sturm“</a>?
Darum kommt man natürlich in einer Review nicht an der Widmung von Tilo Wolff vorbei, welche er seinem aktuellen LACRIMOSA-Album voranstellt:
„Im Jahr 2016 hat die Welt Abschied nehmen müssen von zu vielen großen Künstlern – Schöpfern einzigartiger Momente für die Ewigkeit! Mit ihrer Kunst bin ich aufgewachsen, ihre Bodenständigkeit, ihr Größenwahn, ihre Einzigartigkeit, ihr gesamtes Werk hat meine Kindheit und Jugend geprägt und war mir oftmals Vorbild und Leitbild: Die Kunstverliebtheit und Demut eines Götz George, die visionäre Wandlungsfähigkeit eines David Bowie, die Vielseitigkeit in ihrer unverwechselbaren Einzigartigkeit eines Prince, die Tiefe und Melancholie eines Leonard Cohen, sie alle haben Anteil an dem, was ich sein darf und was ich mit Lacrimosa seit 27 Jahren zum Ausdruck bringe! Dieses Album ist ihnen zum Dank gewidmet.“
Damit LACRIMOSAs Requiem auch wirkt, keine Peinlichkeit hinterlässt oder nach aufgeblasenem Pathos-Schnellschuss klingt, legen Tilo Wolff und Anne Nurmi wirklich alle Qualitätsmerkmale ihrer besten Alben in die Waagschale: Klassisches, Metallisches, Gothisches, Trauriges, Episches, Rockiges, Bombastisches, Akustisches - und mixen daraus eine Art von Symphonie in vier Akten, die sicher alle Freunde der Band, aber auch derjenigen, die ähnlich ihren verstorbenen Helden nachtrauern, einerseits, aus künstlerischer Sicht, begeistern und andererseits, aus tragischer Sicht der Verstorbenen, bedrücken werden.
„Testimonium“ ist darum ein mutiges und gleichermaßen gewagtes Unterfangen – das LACRIMOSA nach ein paar Startschwierigkeiten erst immer besser und dann vollends gelingt. Selten zuvor enthielt ihre Musik so viele Klassik-Momente – zwischen Wagner und Bach - wie auf „Testimony“! Gerade diese werden aber dem Anspruch und der Widmung hinter dem 2017er-Werk gerecht.
Wenn dann metallische Gitarren auftauchen, alles niedermähen wie Gevatter Tod, ist die Stimmung vollends getroffen.
Ein wenig wie Fremdkörper wirken allerdings die beiden englisch gesungenen Stücke des 3. Akts, der so fantastisch mit dem ruhigen <a href="https://www.youtube.com/watch?time_continue=1&v=C4iLfzW5GAo" rel="nofollow">„Herz und Verstand“</a> als musikalische Kombination aus Akustik plus Klassik plus Gothik beginnt.
Danach viel Metal, etwas Klassik, aber wenig Tiefe, auch wenn bei <a href="https://www.youtube.com/watch?time_continue=3&v=cU0EQn9bppM" rel="nofollow">„My Pain“</a> Anne Nurmi solistisch singen darf – diese beiden Stücke bleiben am Ende nicht in bester Erinnerung.
Dafür aber wartet der letzte Akt mit einem ganz großen Finale auf, das ruhig und zerbrechlich mit „Der leise Tod“ beginnt und einem regelrechten symphonischen Doom-Monster aus Dark Metal und Gothic endet, welches sich in postrockige Wall-Of-Sound-Himmel erhebt, so als würden LACRIMOSA ihren Helden noch einen letzten Besuch abstatten wollen.
FAZIT: Dieses Album war eigentlich noch nicht geplant, aber die vielen Todesfälle begnadeter Künstler und Musiker hinterließen bei Tilo Wolff bzw. LACRIMOSA so tiefe Eindrücke, dass er ihnen unbedingt eine Requiem schaffen wollte – und das gleich in vier Akten plus schönem Digipak und 28seitigem Booklet. „Testimonium“ würdigt klangvoll zwischen Klassik und Gothic, Metal und Akustik die Verstorbenen und schreibt Musikalisch auf deren Gräber: „Wenn unsere Helden sterben / Halten wir sie in uns am Leben!“
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.09.2017
Michael Malick, Tilo Wolff
Tilo Wulff, Anne Nurmi, Clara M., Lara F., Tristan Alexander
Henryk Flyman, Tilo Wolff, JP Genkel, Michael Malick
Anne Nurmi, Tilo Wolff
Arturo Garcia
The Lacrimosa Session Orchestra (28 Geigen, 9 Bratschen, 4 Kontrabässe, 1 Oboe, 1 Klarinette, 2 Flöten, 2 Trompeten, 3 Hörner, 5 Posaunen, 3 Percussionisten)
Hall Of Sermon/Sony Music
61:54
25.08.2017