Nun feiern sie auch schon ihre Silberne Hochzeit: das Debüt-Album „Mental Jewelry“ und die Band um Ed Kowalczyk, LIVE, dahinter.
Vor 25 Jahren blieb dieses Album noch unbeachtet und erst mit dem Nachfolger „Throwing Copper“ heimste die amerikanische Band deutlich mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung ein.
Dabei ist LIVE (Irgendwie ein extrem blöder Bandname, wenn man nach ihm im Netz sucht, liegen die meisten Treffer deutlich daneben! Aber wer bitte wusste das schließlich vor 25 Jahren?) jederzeit auch heute noch eine echte Entdeckung wert und wird sicher viele, die MIDNIGHT OIL besonders mochten, als die ihre (Natur-)Betten brennen ließen, ähnlich beeindrucken. Genau die gleiche Problematik greifen LIVE in ihrem Song „Mother Earth Is A Vicious Crowd“ auf.
Ob sich LIVEs Bekanntheitsgrad nun nach der Luxus-Ausführung ihres Debüts ändern wird, bleibt zwar abzuwarten, aber...
Gerade dieses LIVE-Debüt zeigt eine noch junge Band auf der Suche nach ihrem eigenen musikalischen Ich, die dabei sehr viel zu bieten hat – vielleicht etwas zu viel. Oder wie es CHAD TAYLOR, der LIVE-Gitarrist, rückblickend sehr treffend feststellt:
„Wenn ich mir unsere frühen Songs so anhöre, fallen mir vier einschlägige Dinge auf: erstens, dass wir wirklich ehrgeizig waren. Und Eds Texte behandelten in ihrer Reife Themen, die weit über den Horizont von durchschnittlichen Teenagern hinausgehen. Diese Substanz musste auch in der Instrumentierung übermittelt werden. Zweitens war unser Wissen in Sachen Musiktheorie recht mager, aber dies versuchten wir mit rhythmischer Struktur und sehr viel Dynamik wettzumachen. Wir machten einfach das Beste aus den drei Akkorden, die wir beherrschten und holten aus ihnen alles raus. Drittens verfügte Ed über eine sagenhafte Gabe, komplexe Melodien mit einfachen Akkorden zu verflechten. Viertens haben wir das Glück, mit Gracey und Dahlheimer eine wirklich starke Rhythmus-Sektion zu haben. […] Aber am wichtigsten ist, dass wir stets mit aller Leidenschaft zu Werke gegangen sind.“
Das alles fällt natürlich auch dem Kritiker auf, der diese Worte nur ausdrücklich bestätigen kann!
Doch das ist nichts Neues, die meisten wird sicher interessieren, was denn das Besondere an dieser „25th Anniversary Edition“ ist und ob es sich lohnt, wenn man das Album bereits besitzt, noch einmal zuzugreifen.
Es lohnt sich, denn neben dem Studio-Album gibt es noch ein zweites LIVE-Live-Album vom 13. Juli 1992 aus dem Roxy als Beigabe und auch die Studio-CD enthält vier Bonustitel, die es immerhin auf eine Gesamtspielzeit von fast 20 Minuten bringen.
Der ungewöhnlichste Song ist dabei der Club-Mix von „Pain Lies On The Riverside“, welcher vom PUBLIC ENEMY-Produzenten Hank Shocklee angefertigt wurde, der seltenste ist der bis dato unveröffentlichte Akustik-Song „Born Branded“.
„Negation“ und „Heaven Wore A Shirt“ stammen von einer raren 4-Song-EP, die erstmals am 24. September 1991 erschien.
Auch die in guter Sound-Qualität enthaltene, über einstündige Konzert-Aufnahme ist bisher unveröffentlicht geblieben, sodass allein wegen dieser zweiten CD, auf der man fast das komplette Studio-Album live erleben darf, ein beachtlicher, lohnenswerter Kaufanreiz ist, auch weil das absolute Konzert-Highlight darauf der letzte Song „10.000 Years (Peace Is Now)“ ist, bei dem sich LIVE offensichtlich von THE DOORS‘ „The End“ inspirieren ließen.
Noch dazu kommt bei der Doppel-CD ein 20seitiges Booklet mit Linernotes von ED KOWALCZYK, die er extra für diese Deluxe Edition am 5. Mai 2017 verfasste. Auch die anspruchsvollen, sehr kritischen Texte fehlen nicht.
Man spürt nach diesem Debüt bereits, dass noch etwas ganz Großes folgen muss, was dann vier Jahre später mit „Throwing Copper“, das beste Album von LIVE, auch geschieht. Während LIVE mit „Mental Jewelry“ noch auf der Suche nach einem eigenen, unverwechselbaren Stil waren, hatten sie diesen mit „Throwing Copper“ offensichtlich gefunden.
FAZIT: Nicht nur schöne Erinnerungen, sondern auch eine vollgepackte zusätzliche Live-CD und viele rare Bonus-Aufnahmen sowie ein dickes, informatives Booklet enthält die „25th Anniversary Deluxe Edition“ von „Mental Jewelry“ der amerikanischen Band LIVE. Wem die Band und/oder das Album, welches übrigens der TALKING HEADS-Keyboarder und -Gitarrist JERRY HARRISON produzierte, zusagt, der sollte diese neue Ausgabe des 25 Jahre alten Albums unbedingt mit in seine Sammlung aufnehmen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.09.2017
Patrick Dahlheimer
Edward Kowalczyk, Chad Taylor, Patrick Dahlheimer, Chad Gracey
Chad Taylor, Edward Kowalczyk
Chad Gracey
Radioactive/Geffen/UMe
137:37
11.08.2017