Das Eisen ist heiß. Momentan meldet sich John Mitchell im Jahresrhythmus mit neuen Alben zurück – 2016 holte er FROST* gemeinsam mit Jem Godfrey aus dem Tiefschlaf, 2015 hob er LONELY ROBOT aus der Taufe. Einsam ist der im All schwebende Astronaut des Debüts somit nicht lange geblieben. Sein Brüderchen ist nun ein aus der Kryostase erwachter Gestrandeter, der sich auf einer mit Tierkopf-Humanoiden bevölkerten Wiesenlandschaft wiederfindet, sich dort trotz gewonnener Bodenhaftung aber ähnlich schwerelos durch das freie SciFi-Konzept bewegt wie sein großer Bruder vor zwei Jahren.
Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ soll als Inspiration für den recht surrealen Ansatz gedient haben, der rätselhafte Schauplatz der psychedelischen 60er-TV-Serie „The Prisoner“ hätte eine ebenso gute Vorlage abgegeben. Im Aufbau hat sich gegenüber dem ersten Album wenig geändert: Die Titel lesen sich wie Durchgangsstationen oder Kapitel einer losen Geschichte, Prolog und Epilog deuten auf einen Anfang und ein Ende hin. Musikalisch ist die gewohnte Ladung Neoprog-Schmelz zu erwarten – Mitchell, wie er cremige Melodien mit Nachhall zu fernen Planeten sendet und dabei die Leuchtspur einer Sternschnuppe hinterlässt, bekömmliche Melodien, die ihre Fächer mit kraftvollem Schwung ausbreiten, kuschelweiche Gitarrensoli, auf die gebettet man selig einschlummern könnte, Keyboardflächen mit eingebauter Massagefunktion.
Der passend „Deep Sleep“ betitelte Prolog distanziert sich aber bereits vom bedrohlich-düsteren Einklang des Vorgängers. Er verströmt eher den neugierigen Anklang von Mystery und lässt stoßweise flötenartige Klänge ertönen wie gereizte Atmung, bevor euphorische Entdeckerstimmung einsetzt.
Weil „Please Come Home“ den düsteren Pfad nach dem Intro aber recht schnell verließ, nehmen sich nun beide Alben von der Stimmung nicht mehr viel. Inzwischen klingen die Kompositionen möglicherweise etwas kompakter, was auch am reduzierten Line-Up liegen mag: Live hat sich Mitchell auf ein festes Line-Up geeinigt, das Craig Blundell am Schlagzeug, Steve Vantsis am Bass, Liam Holmes an den Keyboards und ihn selbst an der Gitarre und am Mikrofon vorsieht; in der Albumversion hat er sogar alles abgesehen vom Schlagzeug selbst eingespielt, während der Vorgänger noch zwölf aktiv beteiligte Musiker zählt. Songs wie „Sigma“ sorgen für die prägnanten Refrains, „Everglow“ für mächtige Riffs, „In Floral Dream“ oder „Hello World Goodbye“ für die balladesken Momente. Die Piano- und Percussion-Arbeit auf „The Divine Art Of Being“ könnte einem Solo-Album von TIM BOWNESS entstammen. Überraschungen Fehlanzeige; es ist recht einfach auszurechnen, dass Liebhaber des ersten Albums auch mit dem zweiten nicht fragend zurückbleiben werden.
Einzig der Titeltrack, mit 8:02 Minuten Laufzeit das längste Stück der Platte, fällt ungewöhnlich aus: Als einziger traut er sich eine etwas düsterere Stimmung zu, verzichtet völlig auf Gesang und lässt eine grollende Mischung doomig gestimmter Gitarren mit Herzschlag-Bassrhythmik und späterem Soloanteil für sich sprechen. Das weckt bei allem Schönklang die Erinnerung daran, dass noch mehr Mut von dieser Art sich noch positiver auf den Gesamteindruck hätte auswirken können, der nun auch ein wenig von Stagnation bestimmt wird.
FAZIT: John Mitchell bevölkert den Weltraum und seine entdeckenswürdigen Orte weiter mit einsamen Individuen. Trotz einiger Änderungen in Sachen Stimmung und Arrangements knüpft er damit genau dort an, wo er vor zwei Jahren abschloss. Wenn man auf Weiterentwicklung besteht, kommt man nicht umhin, einen gewissen Stillstand festzustellen. Anderenfalls gibt es keinen Grund anzunehmen, „The Big Dream“ mache irgendetwas viel besser oder schlechter als „Please Come Home“.
Die (zur Besprechung nicht zur Verfügung stehende) Special Edition beinhaltet zusätzlich zwei Akustikversionen zu "In Floral Green" und "The Divine Art Of Being" sowie "Why Do We Stay?" vom Debütalbum.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.05.2017
John Mitchell
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Craig Blundell
InsideOut
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28.04.2017