Und der Preis für den stärksten Bandnamen geht an: NAISSAM JALAL & THE RHYTHMS OF RESISTANCE! Die „Rhythmen des Widerstands“ sind nur eins der vielen Projekte, an denen die syrisch-französische Flötistin beteiligt ist. Und kämpferisch ist nicht nur der Bandname, sondern auch der des Albums: „Almot Wala Almazala“, was so viel wie „Lieber Tod als Verstümmelung“ bedeutet, ist den Menschen gewidmet, die 2011 begannen, gegen das syrische Regime zu demonstrieren – Verstümmelung kann man daher wohl sowohl in körperlichem, als in politischem Sinne verstehen.
Die transkontinentale Verbindung ist denn nicht nur les- sondern auch hörbar, vor allem in der prominenten Solo-Arbeit von Naissam Jalal an der Querflöte bzw. Nay. In der eher düsteren Klammer, mit der „C4 – Hob Wa Harb“ und der abschließende Titelsong das Album zusammenhalten, sowie im melancholisch-verlorenen Intermezzo „Alep“ stellt die Protagonistin das einerseits klagend-eindringliche und andererseits kraftvolle Wesen ihres Instruments zur Schau.
Wiewohl vor allem in den genannten, aber auch in den restlichen Stücken der orientalische Einfluss in Form von für das europäische Ohr ungewohnten Harmonien immer wieder deutlich zutage tritt, nimmt diese Fremdartigkeit nie überhand, was u.a. daran liegt, dass die Melodienführung auch immer wieder an andere Instrumente abgegeben wird, namentlich Gitarre („Ou Est Le Bouton Pause de Mon Cerveau?“) und Saxophon („Lente Impatience“).
Gelungen ist, dass man immer wieder als Kontrapunkt zu den längeren und komplexeren Kompositionen Simplizität Einzug halten lässt, was sowohl Zugänglichkeit, als auch Intensität erhöht: Erwähntes „Alep“, das düster-mantraeske „La Pluie“, oder „Abtal Kafrenbel“, das mit flächigen, morgensonnigen Akkorden die eher unruhige Soloarbeit einhegt.
Am denkwürdigsten verbleiben schließlich „Ou Est Le Bouton Pause de Mon Cerveau?“ und „Lente Impatience“: In beiden stellen die RHYTHMS nicht nur unter Beweis, dass sie ihren Namen mit Recht tragen, sondern bestechen auch und vor allem mit dem durchdachten, vielschichtigen und sprechenden Aufbau der Stücke. Vor allem die Entwicklung in „Lente Impatience“ von bedrohlicher Atmosphäre auf einem spannungsvoll verschleppten Beat hin zu einem lebhaften, sich zu immer größerer Rasanz steigernden Saxophon-Ausbruch begeistert.
FAZIT: Orientalisch verwurzelter Jazz, der detaillierte Klangbilder malt und, obwohl man sich als Hörer bisweilen eine konzisere Darbietung wünschen könnte, ein paar aufmerksame Ohren verdient hat. Peace.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.06.2017
Matyas Szandai
Naissam Jalal
Karsten Hochapfel
Arnaud Dolmen, Francesco Pastacaldi
Fute: Naissam Jalal, Sax: Mehdi Chaib
Les Couleurs Du Son
47:00
10.11.2016