Wenn man sich vor Augen ruft bzw. in den Ohren klingeln lässt, was NASTY anno 2017 musikalisch zu bieten haben, muss man die Aachener als Exoten wie zur Band gewordenen Archaismus betrachten, denn ihr von zermürbenden Breakdowns und derbsten Metal-Klampfen durchwirkter Hardcore kommt dermaßen geradlinig daher, dass nicht zu erwarten steht, die Band lasse sich jemals dazu bewegen, ihrem Sound feinere Nuancen zu verleihen, geschweige denn sozuagen jemand anderem zu predigen als den Bekehrten.
So wütet und schimpft Frontmann Matthi konstant, aber glaubhaft böse wie der sprichwörtliche Rohrspatz, kottert gegen Unterdrückung respektive Betrug und wirft betreffs des Titels der Scheibe die Frage auf, ob NASTY die zweifellos harte Wirklichkeit zu ihrer Religion auserkoren zu haben, um an ihrer Attitüde festhalten zu können.
Ob man nun die wie gehabt zu viert realisierten Tracks als Beispiele heranzieht oder das Titelstück, bei dem die Gruppe mit J.J. von DEEZ NUTZ plättet, 'Welle' mit Samis von REDUCTION oder den Bonussong 'Babylon' mit SANDs Makoto anführt: NASTY scheinen nur anklagen zu können, wohingegen man konstruktive Ausblicke in die Zukunft bestenfalls erahnt … oder in die unstreitbar hohe Energie hineindeuten kannn, welche die Combo versprüht.
Dies geschieht mit mindestens einem tätowierten Beim im brutalen Death Metal und noch häufiger im traditionelen Planierraupen-Modus, wobei alle Songs auf direkte Unmittelbarkeit gebürstet wurden, sodass sich quasi jeder Depp davon mitreißen lassen wird. Gerade live dürften beispielsweise 'In Defeat' mit dem MALEVOLENCE-Duo Alex und Konan oder der kolossale Videotrack 'At Love With War', den NASTYs Fangemeinde schon seit Ende des vergangenen Jahres kennt, zünden wie Raketen.
An ihren eigenen Klassikern - etwa 'No', 'Look At Me And Fuck You' und nicht zu vergessen 'Zero Tolerance' - kratzt das Quartett mehrere Male auf "Realigion", auch wenn sich der einstige Überraschungseffekt nicht mehr einstellt. Wer halt ständig auf die Pauke haut, klopft irgendwann nur noch ein und denselben Bums, und der klingelt zwar wie gesagt wohlig schmerzhaft in den Ohren, doch gesund ist das langfristig nicht - geschweige denn, dass es Sinn ergibt.
FAZIT: "Realigion" ist ein Paradebeispiel für Szene-Musik für Menschen, die lieber in ihrem eigenen Sud schmoren und ständig die gleichen Parolen hören möchten, statt den markigen Worten echte Taten folgen zu lassen. NASTY bleiben mit ihrer exzellenten Lesart des Stils zwar weiterhin ein Garant für wilde Moshpit, werden aber mit der Zeit unglaubwürdig, denn was bleibt am Ende übrig, wenn eine angebliche Haltung zu reiner Mache wird? <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/e8f5e9e8956d47299d62ac794bab3a4e" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 7/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.09.2017
BDHW
29:54
22.09.2017