"Untrained Heart" spielt möglicherweise darauf an, dass besonders verstockte Menschen sozusagen emotional Laufen lernen müssen, doch von vertrockneter Nüchternheit möchte man im Fall von Neal Hoffmann nicht sprechen. Sein Album erregt keinerlei Verdacht, hier habe jemand Musik als Mittel zur Selbstheilung oder für ein besseres Eigenverständnis benutzt, sondern zeigt einen souverän zarte Töne anschlagenden Gitarristen und Sänger mit lobenswert eigener Handschrift.
Eine solche ist speziell im Singer-Songwriter-Bereich unerlässlich, wo sich regelrechte Heerscharen mehr oder weniger begabter Mucker tummeln. Dieser Solokünstler hier geht größtenteils konsequent im Balladen-Modus vor, bietet underdessen aber mehr Abwechslung, als man vielleicht erwartet, was er auch einer fabelhaften Produktion zu verdanken hat, die ein sensibles dynamisches Auf und Ab beschreibt, ohne je ganz leise oder gar brachial laut zu werden.
Intensiv gestaltet sich die Chose dennoch. 'Maybe Arizona' erzeugt nicht nur aufgrund des Einsatzes eines Cellos Gänsehaut, derweil im konzertanten Titelsong 'Untrained Heart' ein ganzes Streicher-Kammerensemble Armhärchen aufrichtet. In Bezug auf dergleichen Arrangements könnte man Hoffmann einen Hang zur Opulenz unterstellen und läge damit ziemlich falsch. Der Mann geht immerzu dezent vor, vielleicht auch weil er seine anvisierte Klientel zur Innenschau anregen, aber nicht nötigen möchte, denn dies liefe dem Wunsch an sich zuwider. Letztendlich mutet beispielsweise selbst das bezüglich seiner Benennung verheißungsvolle 'Summer Time Bliss' sehr besinnlich an
Ein Songtitel wie 'Not Johnny Cash' spricht in Bezug auf Hoffmanns Selbstverständnis Bände; unaufdringlich, aber entschlossen gibt er Weisheiten zum Besten (etwa im richtig lässigen 'Vanity And Pride'), die nie altklug wirken, und hat mit 'Instinct And Feel' eine Ode ans Bauchgefühl geschrieben, die allen vermeintlichen Selbstzweifeln zum Trotz auf wackere Integrität schließen lässt - sich selbst wie dem Publikum gegenüber, das Neal mit etwas Glück und den richtigen Maßnahmen zur Bewerbung seiner Musik zu Füßen liegen dürfte.
FAZIT: Auf "Untrained Heart" kristallisieren sich beim Hören einige unwiderstehliche Lieder heraus, die ihren Schöpfer zu einem meisterhaften Balladenschreiber adeln. Neal Hoffmanns stilistisches Idiom dabei: Liedermacher-Tradition ohne offensichtliche geografische Bezüge, dafür jedoch von allgemeiner Versiertheit in allem von Blues bis (elektrifiziertem) Folk gekrönt. Mag er sich auch in Zurückhaltung üben, betreibt er kein Understatement, sondern weiß genau, was er kann, und muss es nicht heraushängen lassen. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/cdbeee4cdaef469abd61b733a93cac25" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.09.2017
Amphibic
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01.09.2017