Darf es ein wenig klassisches Gemetzel sein? Brutaler Death Metal der amerikanischen Art, dem ein thrashiger Groove die gröbsten Ecken und Kanten abschleift?
Zwar kommen NEVERLIGHT HORIZON nicht aus den Staaten, sondern aus dem tiefsten belgischen Europa, mit „Dead God Effigies“ zeigen sie aber deutlich, dass sie nach 17-jährigem Band-Bestehen, das von einigen Besetzungswechseln und leider quantitativ nicht allzu üppigem kreativem Output gekennzeichnet war, verstanden haben wie der Hase läuft – oder wie das Killer-Karnickel unter seinen Opfern wütet.
Als müsste erstmal unterstrichen werden, dass hier keine Gefangenen gemacht werden, überrennen einen die ersten beiden Stücke, „Useless Humanity“ und „Drowning Blackness“, förmlich, wobei ersteres zwischen all dem Feuer aus vollem Rohr einige überraschend zugängliche Momente bereithält und letzteres mit seinem unablässig an Intensität gewinnenden Aufbau gefällt, der in einem „dunkel leuchtenden“ Finale endet.
An dieser Stelle sei das wirklich beeindruckende Schlagzeugspiel von Julien Nicolet gewürdigt, der wie ein virtuoser Presslufthammer dem ganzen Album ein breites, muskelbepacktes Rückgrat bietet und mindestens ebenso viel zur Kurzweil und zum Abwechslungsreichtum der Scheibe beiträgt wie der Rest der Band.
Auch am Gesang gibt es nichts auszusetzen: Jean Louis Lizin nimmt ein ordentliches Stimmspektrum in Beschlag, seine Growls reichert er immer wieder mit höherfrequentem Schreien an, ohne dieses Wechselspiel übertrieben oft zur Schau zu stellen.
Es bleibt nur die Frage, warum seine Stimme, und die ansonsten klar-kraftvolle Produktion im Allgemeinen im letzten Song „Desperate Final Assault“ auf einmal verwaschen und im Vergleich mit dem restlichen Material recht schlapp klingt…?
Die nicht unbedingt schmeichelhafte Antwort findet sich, wenn man sich ein wenig auf der bandcamp-Seite der Belgier herumtreibt: Das „neue“ Album ist teilweise gar nicht so neu: Bei „The Awakening“ und „God Of Suffering“, zwei der besten Stücke auf „Dead God Effigies“, handelt es sich um Neuaufnahmen, die im Original bereits 2003 auf der „God Of Suffering“-EP erschienen sind. Und „Desperate Final Assault“ hat man schlicht von der „Eternal Scream Of Hate“-EP (2014) übernommen. Weil aber die beiden erstgenannten, vergleicht man sie mit ihren scheppernden Vorbildern, durch diese Neuinterpretation eher eine Wiedergeburt denn eine Wiederbelebung erfahren haben, bleibt als einziger schaler Beigeschmack dieser Entdeckung die Frage, warum man „Desperate Final Assault“ nicht wenigstens auch neu aufgenommen hat, wenn die klanglichen Unterschiede so deutlich hörbar sind.
Weiter im Text: Nach den beiden Einstiegs-Arschtritten versüßen NEVERLIGHT HORIZON das Hörerlebnis mit „The Awakening“ und dem Titelsong „Dead God Effigies“: Zum bekannten Hochgeschwindigkeits-Todesmarsch kommen geschmackvoll eingefügte melodische Elemente hinzu, die das Ganze noch aufwerten und ihm kein bisschen Biss rauben.
Dieser Tendenz geht man mit dem folgenden „Diabolic Mask Of War“ weiter nach, schaltet einen Gang zurück und startet das Stück vielversprechend mit gestreckten düsteren Akkorden – ein Schelm, wem ob der extremen Ähnlichkeit zum Titelsong des letzten BEHEMOTH-Albums „The Satanist“ hier etwas mehr als bloße „Inspiration“ in den Sinn kommt. Leider gelingt es der Band nicht, diesen in jedem Fall spannenden Ansatz auf eine entsprechend interessante Weise weiter zu führen, stattdessen bricht man recht abrupt ab und macht eben das, was man, wie sich in den vorherigen Songs gezeigt hat, kann. Obgleich das Anfangsthema später wieder aufgegriffen wird, bleibt der Eindruck, dass hier, trotzdem man im Albumkontext nicht von einem Schwachpunkt sprechen kann, Potential verspielt wurde.
Zwischen den ordentlichen, wenn auch nicht besonders auffallenden „From Black Liquid To Extinction“ und „Desperate Final Assault“ thront der Höhepunkt, der „God Of Suffering“: Aus brutalem Gedresche, Abwechslung zwischen blastenden Beats und solchen der galoppierenden Thrash-Sorte, tiefen Growls, die wie eine Schlammlawine durch einen CORPSEGRINDERschen Höllenschlund gewalzt zu kommen scheinen, giftigen Screams und obendrein dem ein oder anderem SLAYER-Riff kredenzen NEVERLIGHT HORIZON eine mächtige Gewitterwolke, die unerwartet eingängig und bis zum Ende spannend und überraschend bleibt.
FAZIT: Außer einem etwas pingeligen Hinweis auf fehlende Innovation bietet dieses überzeugende und überraschend facettenreiche Death-Metal-Album wenig Angriffspunkte für Kritik, außer, dass sich stellenweise mehr Potential offenbart, als tatsächlich umgesetzt wurde, und, dass der Spaß nach einer guten halben Stunde schon wieder vorbei ist.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.01.2017
Simon Pailhe
Jean Louis Lizin
Laurent Streel, Xavier Toulmonde
Julien Nicolet
Great Dane Records
35:40
10.09.2016