In England genießen PALE SEAS spätestens nach ihrer gemeinsamen Tour mit THE WAR ON DRUGS und ausverkauften Konzerten als eine der „spannendsten Gitarrenbands der letzten zehn Jahre“ gehörige Aufmerksamkeit, die sich allerdings über die britischen Grenzen hinaus noch nicht so richtig rumgesprochen zu haben scheint.
Und dann passiert so etwas: Noch kurz bevor ihr Debüt-Album eigentlich über die Ladentische gehen sollte, verschwanden PALE SEAS spurlos von der Bildfläche.
Was nur war geschehen?
Vermuten lässt sich, dass es nichts Gutes war, denn wer ihr endlich nach über zwei Jahren fertiggestelltes, tiefschwarzes und bedrückendes Album „Stargazing For Beginners“ hört und folgende Worte des Sängers Jacob Scott liest: „Ich dachte, ich kann jemanden zurückgewinnen, wenn ich nur wirklich zeigen könnte, wie sehr ich ihn liebe – für eine lange, lange Zeit habe ich wirklich geglaubt, dass diese Songs das schaffen könnten“, der bemerkt, dass es Erfahrungen am persönlichen Abgrund waren, die nun ihre musikalische Vertonung erfuhren. Und ob man mit solch schwermütigem Album jemanden zurückgewinnen kann, steht auch in Frage. Eins aber gelingt garantiert damit, tiefe Emotionen beim Hören auszulösen und zugleich Bewunderung bezüglich der großartigen Gestaltung der LP, inklusive echtem Goldaufdruck, faszinierenden Fotos im aufklappbaren LP-Innenteil und einer mit allen Texten bedruckten Innenhülle zu wecken.
„Stargazing For Beginners“ klingt in gewisser Weise wie die Fortsetzung von VERVEs „Urban Hymns“ samt der „Bitter Sweet Symphony“, wofür es auch einen berechtigten Grund gibt. Denn innerhalb von zwei Jahren entstand in totaler Isolation dieses Album, nachdem sich die Band auf die Isle Of Wight zurückgezogen hatte und dort gemeinsam mit Chris Potter das Album produzierte. Genau der Potter, welcher zuvor auch von VERVE „Urban Hymns“ produziert hatte. Noch dazu wurden die Songs alle während der Abend- und Nachtstunden eingespielt. All das hat sich unüberhörbar auf „Stargazing For Beginners“ ausgewirkt, das in logischer Konsequenz mit dem Song <a href="https://www.youtube.com/watch?v=Zibn4M33_cw" rel="nofollow">„Into The Night“</a> beginnt und dann tatsächlich mit „In A Past Life“ die ganz eigene „Bitter Sweet Symphony“ von PALE SEAS offenbart: „In the darkness of the ocean / The world sees to shine, / But the sadness of a lifetime / Belongs to the night.“
Die B-Seite der LP eröffnet mit dem Titeltrack, einem der zugleich schönsten Songs mit diesmal atmosphärischem, fast sirenengleichem Frauengesang, der dann zum rockigsten LP-Stück „Animal Tongue“, das mit seiner eingängigen Pop-Melodie ein wenig an COLDPLAY oder STARSAILOR erinnert, überleitet. Ein Stück, das in seiner schönen Melodieführung genau die Stimmung fortsetzt, welche auf der A-Seite mit <a href="https://www.youtube.com/watch?v=JkDLsq9lzsk" rel="nofollow">„Someday“</a> eingeleitet wurde.
Die letzten sieben, sich gar postrockig entwickelnden Album-Minuten gehören mit „Evil Is Always One Step Behind“ noch einmal ganz dem Bösen und Bedrohlichen, das in unserer unmittelbaren Nähe auf uns lauert und diese beängstigend gute LP so abschließt, wie sie begann: „All you do these days is cry. / Time is never on your side. / Evil is always one step behind.“
Muss man im Endeffekt und als FAZIT da Angst bekommen.
Aber ja doch.
Und nichts Anderes haben PALE SEAS mit „Stargazing For Beginners“ beabsichtigt.
Ein schaurig schönes, beängstigend gutes Album.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.12.2017
Matthew Bishop
Jacob Scott
Graham Poole
Andrew Richardson
Abbey Records
41:38
24.11.2017