Nach dem Weggang des langjährigen Gitarristen David Guillas, der nicht unwesentlich dazu beitrug, PROPAGANDHI zu einer nicht nur in ihrem ursprünglichen Wirkungsbereich außer Konkurrenz stehenden Band zu machen, schien die Zukunft ungewiss zu sein, doch bereits Konzerte in jüngerer Zeit ließen aufatmen, denn seine Nachfolgerin erwies sich nicht nur als angemessener Ersatz, sondern stellte neue Impulse in Aussicht. Wenn die unangefochten Meister des Prog Punk nun also endlich erneut zum Ohrenspitzen bitten, lässt man einmal mehr alles stehen und liegen, wozu „Victory Lap“ dann auch wirklich noch eindrücklicher als sein Vorgänger Anlass gibt.
Gitarristin Sulynn Hago ist endgültig in der Band heimisch geworden und eine kongeniale Partnerin für Chris Hannah, der wieder so klug lästert und zetert wie kein Zweiter, aber auch in jener Art von Wehmut schwelgen kann, die melodischen Hardcore so einnehmend macht. Freilich ist diese Bezeichnung mitsamt damit einhergehender Assoziationen unzureichend für die musikalische Klasse und Bandbreite von PROPAGANDHI. Der Frontmann macht die Scheibe darüber hinaus in gleicher Weise zu einem Zwitter aus Politischem und Persönlichem, wie er es schon immer tat, und eben daraus gewinnt die Gruppe einen zusätzlichen Reiz, falls man sich nicht allein an ihrem Spielvermögen ergötzen kann.
Die Lyrics sind also ein weiterer Hinhörer. Auf der Grundlage den lokal kanadischen wie globalen Status quo anmahnender Ansichten ist dem Quartett ein Haufen Songs gelungen, die das Potenzial zu Klassikern in seinem wahrlich nicht spärlich bestückten Repertoire besitzen. Wer das nicht fassen kann – oder sich eine Lektion in puncto Spielwitz innerhalb der Punk-Szene genehmigen möchte –, hört auszugsweise ‚Cop Just Out Of Frame‘, woraus irdische Szenemusiker gleich ein halbes Album zusammenschustern würden, zudem das kaum zwei Minuten dauernde Singalong-Geschoss ‚Failed Imagineer‘ und das finstere ‚Nigredo‘, mit dem sich die Combo völlig von allen Konventionen freischwimmt.
FAZIT: PROPAGANDHI - diese sagenhaften Punks mit Prog- und Thrash-Herzen - halten mit "Victory Lap" ihr astronomisches Niveau, versprühen aber auch eine Dringlichkeit, die man lange nicht von ihnen hörte; ob's an der beunruhigenden Entwicklung in ihrer südlichen Nachbarschaft liegt? <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/eae69ae5177749eeb51d16959ac20466" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.09.2017
Epitaph
44:14
29.09.2017