Erwachsen gewordene Punkrocker oder zumindest solche, die sich auf diese Weise selbst darstellen, gibt es mittlerweile wie Sand am Meer, da sich der erste Generationswechsel innerhalb der Szene längst vollzogen hat. Ray Vaughn zählt eher zu den vergessenen Kultfiguren der Bewegung und tat sich innerhalb der kalifornischen Kunstrock-Szene als Gründungsmitglied von HOSTAGES hervor, die ab dem Ende der 1970er ein paar vergessene, aber durchaus wegweisende Werke zustande brachten.
Momentan agiert der Barde im klassischen Rock-Bereich, wie er vor drei Jahren schon auf "Way Down Low" zeigte. Vaughn fühlt sich hier also ziemlich wohl, und das hört man den neuen Tracks auch an. "Wounded Bird" wurde wie der Vorgänger von Starproduzent Michael Rosen klanglich veredelt und erscheint quasi in Eigenregie - Hut ab -, wobei auf prestigeträchtige Underground-Helfer zurückgegriffen wurde, nämlich James DePrato und Kevin T White (Chuck Prophet) sowie Trommler Prairie Prince von THE TUBES respektive der Backingband von Todd Rundgren.
Das Material auf "Wounded Bird" lebt nicht nur von Vaughns verwegener Outlaw-Stimme, sondern auch von stilistischer Abwechslung. Grob kann man das Etikett "Americana" ankleben, womit alles und nichts gesagt wäre; das nach vorne strebenede Titelstück verhehlt trotz vordergründiger Energie nicht, dass es dem Künstler um Inhalte geht, und das zieht automatisch Singer-Songwriter-Kompositionen nach sich ('Change In Latitudes', sozusagen vertonter Wüstenstaub), bei denen die Lyrics im Brennpunkt stehen. Der Einordnung des Albums als entschiedenes Rock-Werk tut dies allerdings keinen Abbruch.
Man sieht sich als Hörer ein bisschen gespalten, denn im Grunde zollen uns vornehmlich die eben nicht allzu laut verstärkten Tracks Respekt ab. Zu nennen wäre da an vorderer Stelle der sich wiegende Schwelger 'Song For You', aber auch mit 'Rain' das längste Stück. Hier klammert man sich an jedes weitere Wort Vaughns, was man, wenn die Scheibe ausgelaufen ist, gern häufiger getan hätte, denn …
FAZIT: … hier haben wir es mit einem autarken wie authentischen Musiker zu tun, dessen nach außen gekehrtes Innenleben musikalisch perfekt umrahmt wurde, wo er leisere Töne anschlägt. Der Rest von "Wounded Bird" ist dann "nur" guter Classic Rock amerikanischer Machart. <img src="http://vg01.met.vgwort.de/na/e6c8b90ba16a4baf9a1dcbc9ad12bc4a" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.01.2017
Kevin T White
Ray Vaughn
Ray Vaughn, Ed Rawlings, James DePrato
Phil Bennett
Prairie Prince
Rayoso
32:31
06.01.2017