Schon lustig, dass TANKARD nach ihrer Gründung 1982 zunächst auch politisch kritische Texte probierten, klischeehaft fast in Hinblick auf die atomare Bedrohung während der Zeit des Kalten Krieges, der die erste Welle des Thrash Metal einen nicht geringen Teil ihrer Bildersprache und Thematik verdankte … Damit war es nach den ersten Gehversuchen der Frankfurter zwar nicht endgültig vorbei, doch Heiterkeit blieb über alle Zeiten hinweg die maßgebliche Triebfeder.
Warum sollte man sich in seiner Sturm-und-Drang-Zeit auch den Kopf über Dinge zerbrechen, die man sowieso nicht beeinflussen kann? In ihrer Spielgeilheit legten TANKARD nur ein Jahr nach ihrem rasanten Einstand etwas Ebenbürtiges nach, weshalb man sich heute am Schädel kratzt … Wieso hat die Band eigentlich nie Perlen wie 'For A Thousand Beers' und 'Traitor' in ihr Standardrepertoire aufgenommen?
Nun gut, bei so viel Material mit 17 Alben auf dem Buckel kann man es nicht jedem Konzertgänger rechtmachen. Dennoch zeichnet sich mit "Chemical Invasion" erstmals eine Entwicklung ab, welche die öffentliche Wahrnehmung der Band mehr oder weniger stark verzerrte. Ob es TANKARD schadete, dass sie aufgrund ihres vordergründigen Fun-Faktors nicht als "ernste" Musiker angesehen wurden, weiß man nicht, aber darüber zu spekulieren ist angesichts ihrer anhaltenden Popularität auch müßig.
Die beiden genannten Tracks sind die längsten und zeigen die Gruppe wenn nicht progressiv, so doch ambitioniert und mutig genug, um im gegebenen Rahmen "Neuland" zu betreten. Kultproduzent Harris Johns reichte mit "Chemical Invasion" eine seiner räudigsten Produktionen ein, ohne das handwerkliche Vermögen der Protagonisten zu überschatten. Ohnehin spielt sich das Gros des Materials weiterhin in höheren Geschwindigkeitsgefilden ab.
Dass gerade das doofe GANG-GREEN-Cover 'Alcohol' und 'Total Addiction', ein Selbstläufer bei eingefleischten Anhängern der Band, nüchtern (!) betrachtet die schwächsten Beiträge zu diesem Album sind, braucht man nicht als Schande für einen Zweitling zu bewerten. Vielmehr darf "Chemical Invasion" mit Fug und Recht als Geheimtipp im TANKARD-Katalog begriffen werden.
FAZIT: Toller Re-Release (fettes Vinyl optional, ansonsten schmuckes Digipak mit massig Infos, Interview und Fotos), ohne augenscheinlich am Sound herumgepfuscht zu haben - "Chemical Invasion" ist ein TANKARD-Hit aus der zweiten Reihe und keines jener typischen "sophomores", denen man anhört, dass die Schöpfer nach langer Vorlaufzeit für ihr Debüt unter Zugzwang gestanden hätten. Von vorne bis hinten (abzüglich 'Alcohol' vielleicht, siehe oben) empfehlenswert. <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/1c3b5de72ec74b0494b681c6f7582faf" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.12.2017
BMG / Noise
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01.12.2017