Ignoriert man das Faktum (darf man getrost, denn selbst mit angeklebter Nostalgiebrille muss man klaglos zugeben, dass diese Band niemals besser war als heute), dass TEN YEARS AFTER schon seit Jahren sehr wenig mit jener Formation zu tun haben, die einst unbewusst auszog, um den Bluesrock und mehr zu revolutionieren, gehört die praktisch völlig umgekrempelte Legende (ein halbes Jahrhundert unterwegs!) zu den unverwüstlichen Ausnahmeerscheinungen der neueren Musikgeschichte. Dabei beweisen die Briten, dass der Begriff "Frischzellenkur" keine Beschönigung für einen durch die Welt und Produktionsstudios tingelnden Zirkus aus jungen Statisten sein muss, denn die Jugend, die hier Einzug erhielt, gliederte sich in gleicher Weise selbstbewusst ein, wie sie die Würde und das Gesicht der Marke wahrte.
Und eine Marke waren, ja sind TEN YEARS AFTER in der Tat. Das aktuelle Song-Dutzend der Band beginnt mit der majestätisch schreitenden Einleitung 'Land Of The Vandals' standesgemäß, doch letztlich ist dies eine der unaufälligen Kompositionen auf "A Sting In The Tale". Deutlich aufsehenerregendere Kaliber sind nämlich die virtuose Uptempo-Nummern 'Suranne Suranne' und 'Two Lost Souls' (mit fetziger Mundharmonika) sowie der blaue Schlepper 'Iron Horse' am anderen Ende des Tempo-Spektrums, nicht zu vergessen das auf stoischen Achteln fußende 'Guitar Hero', das seinem Titel alle Ehre macht.
Der heavy Stampfer 'Last Night Of The Bottle' macht noch einmal bewusst, dass man den Terminus Hardrock im Zusammenhang mit TEN YEARS AFTER berechtigterweise in den Mund nehmen darf. Von den balladesken Augenblicken hingegen, wozu die Klangkathedrale 'Retired Hurt' und das sehnsüchtige 'Stoned Alone' gehören, das so an Liedermacher aus den Vereinigten Staaten erinnert, wie 'Miss Constable' - immer wieder diese Orgel! - urigen Southern-Funk emuliert, ist das stetig an Intensität zunehmende 'Diamond Girl' das ergreifendeste Stück und bildet gemeinsam mit dem lässigen Abschluss 'Silverspoon Lady' eine Klammer um den Katalog der Stimmungen, die dieses Album hörbar macht.
Bass-Veteran Colin Hodgkinson groovt unerhört gut mit Schlagzeuger Ric Lee, der neben Organist Chick Churchill als einziges Originalmitglied verblieben ist. Das angerauhte Organ von "Jungspund" Marcus Bonfanti steht dem seines ebenfalls kraftstrotzenden Vorgängers Joe Gooch in nichts nach. Nicht zuletzt seinetwegen wirkt die Combo wie in einen Jungbrunnen gefallen, der da schlicht und ergreifend heißt: Musikmachen.
FAZIT: Sie wollen einfach nicht altern, und was das angeht, verpflichtet der Name TEN YEARS AFTER. Die Mitglieder tun ihm auch 2017 keine Schande, denn was sie unter dem Wortspieltitel "A Sting In The Tale" zusammengefasst haben, subsumiert den Status quo des Bluesrock-Mainstreams vortrefflich und strahlt sowohl klanglich als auch kompositorisch eine Tagesaktualität aus, die man aus einer Szene mit chronisch rückwärtsgerichtetem Blick eigentlich nicht erwartet. <img src="http://vg04.met.vgwort.de/na/4054345c2b6c4815a5e8bcd6c6754a51" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.10.2017
Butler Records / H’Art
52:48
20.10.2017