Mit "2064" landete dieser Däne zumindest in seiner Heimat einen relativen Erfolg, woraufhin scheinbar ungezwungen fast weitere Songs entstanden, unter denen Lucas Berner alias THE CHAIRMAN offensichtlich nicht ganz so rigoros aussiebte, wie er es hätte tun sollen … vielleicht - oder der auf "The Strange Life" gebotene Wahnsinn hat Methode.
Seine Zuarbeiter diesmal: die Produzenten Mathias Bang Madsen und Jakob Løkkegaard, doch das Duo tat einen Teufel, den jungen Mann in seiner überbordenden Kreativität zu beschneiden. Fast gewinnt man den Eindruck, Berner habe sich "leerschreiben" müssen, um für sein drittes Album wieder auf den Song an sich zu sprechen zu kommen.
Hier ergeht er sich hingegen (noch) in ungezwungenem Verkleben mitunter praktisch nicht zu vereinbarender Klangfarben, was u.a. zu comicartigen Skizzen mit nachgerade albern verfremdeten Vocals führt. Anderswo meint man, da weder Hooks noch stilistische Stringenz fehlen, THE CHAIRMAN sei der Manieriertheit anheimgefallen, weil die jeweiligen Tracks eher wie Demonstrationen nach dem Motto wirken: Seht her, in diesem Genre kann ich auch.
Liebe fungiert als thematischer roter Faden, doch deren musikalische Interpretation entspinnt sich über Hip Hop der alten Schule ('She’s Not Fine'), den 80er-New-Wave von 'Dandelions' und 'Now That You Love Me' sowie modern elektronische Auswüchse wie 'Lemon Yellow' hinweg. Melancholisch sind viele, aber eben nicht alle Stücke; gut so, auch wenn Stimmungsschwankungen so abwechslungsreiche Musik zu einem Fass ohne Boden machen könnten.
Kurzum: hier ein bisschen Neo-Soul ('Masquerade In The Radio'), dort vor Schmalz triefende Balladen und andernorts wiederum umso greller schillernde Melodien sind als Album verdichtet an und für sich ein Garant für Kurzweil, doch eine emotionale Bindung kann THE CHAIRMAN zu diesem Stoff partout nicht herstellen. Auch angesichts seiner tollen, facettenreichen Stimme hat er eine Menge Potenzial vergeudet.
FAZIT: Seinem Titel gemäß ist "The Strange Life" ein teils zusammenhanglos wirkendes Patchwork mit nicht immer gelungenen Klangexperimenten, aber mutig für einen Künstler, der kommerziell etwas gilt und deshalb Gefahr läuft, Fans zu verprellen. Unabhängig davon gehört THE CHAIRMANs aktuelle Musik eher zu jener Sorte, die sich angehende Produzenten anhören, um Anregungen für eigene Arbeiten zu erhalten. Songs, die tiefere Gefühle erzeugen, kann dieser Schreiber/Hörer auf dem Album nicht entdecken.
Punkte: 7/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.10.2017
Danish Music Entertainment
38:33
29.09.2017